Die richtige Hilfe bei Milbenallergie

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Eine rinnende Nase oder Nasenatmungsbehinderung ist bei einer Hausstaubmilben-Allergie nicht nur unangenehm, es kann auch eine schwere Krankheit daraus entstehen. Prim. Dr. Peter Ostertag, HNO-Facharzt im Krankhaus Kufstein, erklärt im Interview, woran man eine Hausstaubmilben-Allergie erkennt und ab wann eine Therapie sinnvoll ist.

Wie erkennt man eine Hausstaubmilben-Allergie?

Tatsächlich ist das gar nicht so einfach, man muss schon fast ein wenig Sherlock Holmes sein, um überhaupt dahinter zu kommen. Allergiker haben das Gefühl, es müsste bei einer Allergie einen kausalen Zusammenhang geben. Ich gehe über eine z.B. grüne Wiese, plötzlich bekomme ich Beschwerden. Wegen Juckreiz in der Nase, Nießattacken, einer Nasenatmungsbehinderung oder der nasalen Sekretion muss ich mich vermehrt schnäuzen. Zudem entsteht auch hinten in der Nase mehr Schleim, häufig kommt es zu geröteten oder juckenden Augen. Aber das alles finden wir bei der Hausstaubmilben-Allergie nicht.

Es gibt keinen kausalen Zusammenhang, man hat die ganze Zeit Beschwerden, aber eher schleichende. Also keine Nießattacken, keine Nasenlaufen, selten Augenrötung, aber es gibt immer die Nasenatmungsbehinderung. Diese Patienten bekommen meist keine Luft durch die Nase. Das kann auf eine Hausstaubmilbenallergie hindeuten. Eine Haustaubmilbenallergie tritt aber auf, wo die Hausstaubmilben sind. Diese kommen aber leider überall vor. In besonders großer Konzentration im Bett, weil sie es feucht und warm mögen und sich von unseren Hautschuppen ernähren.

Warum sollte eine Hausstaubmilben-Allergie nicht verharmlost werden?

Eine Hausstaubmilbenallergie ist auch eine allergische Rhinitis, also eine Entzündung. Jeder kennt eine nasale Entzündung durch Schnupfen, dieser kann wieder komplett ausheilen. Wenn aber eine andauernd köchelnde Entzündung vorliegt, kann es auch zu irreversiblen (nicht mehr rückgängig zu machenden) Veränderungen kommen. Vor allem in den tieferen Atemwegen entstehen dadurch dauerhaft Lungenschäden. Aber es kann auch zu irreversiblen Veränderungen in der Nase kommen. z.B. zu einer Muschelhyperplasie.

Prim. Ostertag
Prim. Dr. Peter Ostertag, HNO-Facharzt im Krankhaus Kufstein

Der normale, gesunde Weg der Atmung ist über die Nase. Die Nase ist unsere Klimaanlage, erwärmt, reinigt und befeuchtet die eingeatmete Luft. Muss ich wegen der Hausstaubmilbenallergie anstatt durch die Nase durch den Mund atmen, ist die Luft zu kalt, zu trocken und nicht gereinigt. Als Folge werden die Schleimhautsysteme krank. Kinder bekommen dann typischerweise Mandelentzündung, Erwachsene häufiger Halsschmerzen, Kehlkopfentzündungen aber auch Bronchitis, Infekte der unteren Atemwege, Infekte ganz allgemein.

Eine Nasenatmungsbehinderung führt auch fast immer zum Schnarchen. Dadurch entstehen Probleme mit dem Partner, aber es kann auch zum gefürchteten Schlafapnoesyndrom kommen. Das sind dann Atemaussetzer mit einem massiv gesteigerten Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall, auch dem sollte man nachgehen.

Zusätzlich kommt es bei einem Drittel aller Allergiker im Laufe ihrer Erkrankung zu einer Ausweitung des Allergiespektrums. Diese Menschen sind dann nicht mehr nur gegen Hausstaubmilben allergisch, sondern auch gegen Gräser und Bäume. Die Allergien werden also komplizierter. Aus der Erfahrung weiß man auch, dass bei der Hausstaubmilben-Allergie ungefähr 40% ein Asthma bronchiale entwickeln.

Wie lassen sich die Symptome von COVID-19 dazu abgrenzen?

Wenn man die Hausstaubmilbenallergie betrachtet, haben wir vorwiegend eine Nasenatmungsbehinderung. Das haben wir bei der Covid-19 Infektion nicht. Die Patienten beklagen meistens einen trockenen Husten und dann ein Fieber, beginnendes Fieber, Mattigkeit oder Schwächegefühl. Das wiederum finden wir bei der Hausstaubmilbenallergie nicht.

Ebenfalls ganz typisch ist bei der Covid-19 Allergie ist, dass die Patienten Geruchs- bzw. Geschmacksverlust angeben. Von den derzeitigen Daten müssen wir davon ausgehen, dass sie es nicht sind. Allergiker haben kein erhöhtes Risiko an Covid-19 zu erkranken und auch nicht, schwerer daran zu erkranken, falls sie eine Infektion bekommen.

Was hilft bei einer Hausstaubmilben-Allergie?

Wir haben drei Säulen der Behandlung.

Die erste Säule ist die Allergen-Vermeidung oder -Karenz. Fehlt der Kontakt zum Allergen, gibt es auch keine Beschwerden. Kann ich die Belastung mit Hausstaubmilben reduzieren, habe ich weniger Beschwerden. Die wichtigste Maßnahme sind dabei milbendichte Bettbezüge (sogenannte „encasings“), mit denen man die Milbenbelastung schon deutlich senken kann. Auch häufiger die Bettdecke waschen (mit mindestens 60 Grad) tötet die Milben ab. Wichtig wäre auch, im Schlafzimmer ein trockenes, kühles Raumklima zu schaffen.

Die 2. Säule wäre die symptomatische Therapie, also mit Medikamenten gegen die Symptome vorgehen. Da gibt es die Antihistaminika als Substanzgruppe, diese jedoch bei der Milbenallergie sehr schlecht oder überhaupt nicht wirken. Der Goldstandard in der medikamentösen Therapie ist Kortison mit einem Spray – nicht als Tablette oder Spritze. Dabei wird das Kortison mit dem Nasenspray genau zum Ort der Erkrankung gelenkt – mit einer sehr guten Wirksamkeit mit praktisch keinen Nebenwirkungen. Aber es ist eine Dauertherapie.

Die dritte Säule ist die Immuntherapie – was passiert dabei?

Bei der Hypersensibilisierung oder der spezifischen Immuntherapie wird dem Patienten das Allergen, in dem Fall die Hausstaubmilbe, in hochgereinigter Form verabreicht. Das passiert über drei Jahre, damit wieder eine Toleranz, also eine bessere Verträglichkeit des Allergens vorhanden ist. Der Patient hat weniger Beschwerden, deutlich weniger als mit jedem Medikament. Zudem gibt es die berechtigte Hoffnung, dass diese Wirkung anhält, wenn er mit der Hyposensibilisierung wieder aufhört. Es kann sogar zu einer Heilung kommen.

Diese Immuntherapie kann mit einer Spritze, einer Tablette oder Tropfen verabreicht werden. Sie ist auch für Kinder ab fünf Jahren geeignet. Der Nachteil: Viele Menschen haben Spritzenangst, man muss für die Spritze immer wieder zum Arzt, am Anfang in Wochenabständen, später monatlich – drei Jahre lang.

Die andere Möglichkeit ist die sublinguale Immuntherapie, also mit Tropfen oder einer Tablette. Diese kann der Patient selbst zu Hause einnehmen, in aller Regel jeden Tag, drei Jahre lang. Auch wenn die Beschwerden rasch besser werden, sind die drei Jahre konsequente Therapie wichtig, sonst funktioniert die Behandlung des Immunsystems nicht.

Ab wann kann sollte man damit beginnen?

Mit der Spritze und den Tropfen können bereits Kinder ab fünf Jahren beginnen, mit den Tabletten für die Milbenallergie Jugendliche ab 12 Jahren. Davor sollte man abwarten. Auch beginnt man eine Immuntherapie nicht gleich nach den ersten Beschwerden, sondern wenn nach einer Allergie-Saison der Leidensdruck dazu führt.

Welcher Arzt ist Ansprechpartner?

Für die exakte Diagnostik und gezielte Beratung und Erstverschreibung ist der Facharzt zuständig, also Dermatologe, Pneumologe, Kinderheilkunde und eben HNO. Die fortführende Therapie könnte auch der allergologisch erfahrene Hausarzt machen.

Inwieweit hat die Allergie-Immuntherapie Einfluss auf das allergische Asthma?

Man war früher immer etwas zurückhaltend beim Asthma. Gerade bei der subkutanen Immuntherapie gab es Bedenken vor möglichen Komplikationen. Aber es ist bei der Erstellung der neuesten Guidelines für Asthma bronchiale (GINA-Guidelines) zu einem Umdenken gekommen. Nicht generell die Immuntherapie, sondern ganz speziell die Hausstaubmilben-Tablette wird jetzt von den Fachleuten explizit empfohlen, vor allem bei einem schlecht eingestellten, nicht gut kontrollierten Asthma.

Mit freundlicher Unterstüzung von ALK Österreich.

ALK Abello