Wie gut sind die Österreicher:innen, speziell jene über 55 und damit als besonders betroffene Gruppe über die Gefahr einer Pneumokokken-Infektionen informiert? Das wollten wir als Österreichische Lungenunion wissen und haben aus diesem Grund das Marktforschungsinstitut MindTake Research mit einer Online-Befragung beauftragt. Insgesamt wurden im Mai 2024 knapp mehr als 1.000 Personen, repräsentativ für die österreichische Bevölkerung, befragt.
Etwas mehr als die Hälfte der Befragten waren weiblich, ein knappes Fünftel hatte Matura, der Rest nicht. Zirka drei Viertel wären älter als 60 Jahre. Die Bundesländerverteilung entsprach in etwa der österreichischen Bevölkerung.

Auf die Frage, ob der Begriff Pneumokokken schon einmal gehört wurde, antworteten 95 % der Befragten mit einem klaren „Ja“. Doch schon bei näherer Nachfrage stellte sich heraus, dass 47 % Pneumokokken für Bakterien hielten, 27 % für Viren und 26 % nicht wussten, um welche Keime es sich dabei handelt.
Die Mehrheit der Befragten lag somit richtig. Pneumokokken, auch Streptococcus pneumoniae genannt, sind Bakterien, die verschiedene Krankheiten verursachen können, von harmlosen Infektionen bis hin zu lebensbedrohlichen Erkrankungen. Mittlerweile kennt man 95 verschiedene Serotypen, die sich durch die sogenannte Polysaccharidkapsel, die die Bakterien umgibt, unterscheiden. Diese Kapsel spielt eine wichtige Rolle bei der Verursachung von Pneumokokken-bedingten Krankheiten. Die wichtigsten Pneumokokken-Serotypen sind in den modernen Impfstoffen enthalten.

Bei der Frage nach den durch Pneumokokken-Infektionen ausgelösten Krankheiten zeigte sich, dass 73 % bereits bekannt war, dass dieses Bakterium zu Lungenentzündungen führen kann. 35 % wussten, dass Meningitis durch Pneumokokken ausgelöst werden kann, 21,5 % tippten auf Bronchitis (Mehrfachantworten möglich). Deutlich weniger wussten um den Zusammenhang zwischen Pneumokokken-Infektionen und chronischen Herzerkrankungen, Mittelohrentzündung und Bakteriämie Bescheid.
Studien zeigen, dass Pneumokokken die Hauptursache für Mittelohrentzündung, ambulant erworbene Lungenentzündung, bakterielle Sepsis und Hirnhautentzündung sind. Akute Infektionen mit Pneumokokken können nachweislich Organschäden mit langfristigen Folgen verursachen. Freigesetzte giftige Substanzen der Bakterien, mechanische und physiologische Belastungen durch die Infektion sowie die damit einhergehende Entzündungsreaktion tragen gemeinsam zu Organschäden bei. All das kann im akuten Fall lebensbedrohlich sein. Bei Überlebenden fördert es auch die langfristigen Folgen einer Pneumokokken-Erkrankung. Zu diesen gehören die Entwicklung neuer Erkrankungen oder die Verschlimmerung bereits bestehender Erkrankungen wie COPD, Herzkrankheiten und neurologische Beeinträchtigungen. Derzeit wird Lungenentzündung sogar als neunthäufigste Todesursache eingestuft. In Wahrheit dürfte sie noch häufiger zum Tod führen, denn diese Kalkulation berücksichtigt nur die kurzfristige Sterblichkeit und unterschätzt wahrscheinlich die wahren langfristigen Auswirkungen der Krankheit.
Wie bei vielen Infektionskrankheiten gibt es Risikofaktoren, die eine Pneumokokken-Infektion begünstigen beziehungsweise verschlimmern können. Darauf zielte die nächste Frage ab. Die Top-3 der genannten waren: COPD (34 %), Rauchen (30,5 %) und Asthma (29,5 %). Das Alter sahen dagegen nur 25 % als Risikofaktor an. Noch weniger Herz-Kreislauferkrankungen, Übergewicht, vorgegangene Transplantationen, Diabetes, Herzinsuffizienz oder Krebs. Tatsächlich gelten alle diese Faktoren als Risiko. Wie man an der Befragung erkennen kann, als deutlich unterschätztes Risiko.
Mehrere Studien haben mittlerweile einen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Komorbiditäten und der langfristigen Sterblichkeit festgestellt. Je höher die Anzahl der Komorbiditäten, desto größer die langfristige Mortalität. Außerdem beweisen zahlreiche wissenschaftliche Belege einen Zusammenhang zwischen fortgeschrittenem Alter und einer erhöhten Langzeitsterblichkeit nach einer Lungenentzündung.
Nicht ohne Grund wird zum Beispiel Rauchern im Österreichischen Impfplan spätestens ab dem 50. Lebensjahr die Pneumokokken-Impfung ans Herz gelegt. Personen mit COPD oder Asthma, Herz-Kreislauferkrankungen oder Diabetes sogar unabhängig vom Alter. Und auch für gesunde Menschen gilt aufgrund des nachlassenden Immunsystems ab dem 60. Lebensjahr eine allgemeine Impfempfehlung.

Wie infiziert man sich mit Pneumokokken, was ist der Auslöser für eine Infektion? Auch das wurde im Rahmen der Online-Befragung erhoben. 43 % der Angaben entfielen auf einen direkten Kontakt mit Kindern, 34 % auf einen indirekten Kontakt mit Kindern und 52 % auf eine bestehende Erkältung.
Ausschlaggebend ist tatsächlich der enge Kontakt zu einer infizierten Person: Die Bakterien werden beim Husten oder Niesen von infizierten Personen in die Luft freigesetzt und können von anderen Menschen eingeatmet werden. Ebenfalls möglich ist eine Übertragung über kontaminierte Gegenstände – wenn man danach Augen, Nase oder Mund berührt: Denn: Pneumokokken können auf Gegenständen wie Türklinken, Spielzeug oder Telefonen einige Zeit überleben.

Bei Pneumokokken-Infektionen geht es einerseits um die Akuterkrankunung, andererseits um die Langzeitfolgen, die – wie man an dieser Erhebung sieht – noch nicht so gut bekannt sind. 43,5 % wissen über das erhöhte 10-Jahres-Sterberisiko Bescheid, 17 % über das gestiegene Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko und 38 % über Herz-Komplikationen nach einem stationären Aufenthalt. 38 % sind keine Langzeitfolgen bekannt (Mehrfachantworten möglich).
Auch wenn die meisten Pneumokokken-Infektionen gut ausgehen, gibt es doch ein beachtliches Risiko für Folgeschäden. Diese reichen von einem stark erhöhten Risiko von Exazerbationen bei COPD-Patient:innen bis zu dem Auftreten von Demenz bei älteren Personen. Ein Fünftel bis ein Drittel der wegen einer Lungenentzündung im Spital aufgenommenen Personen erleiden Herz-Komplikationen. Außerdem haben Patient:innen, die wegen einer ambulant erworbenen Lungenentzündung ins Krankenhaus eingeliefert werden, ein fast doppelt so hohes Risiko für eine langfristige Sterblichkeit wie Patient:innen, die aus anderen Gründen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Zusammengerechnet. Generell führt eine Pneumokokken-Lungenentzündung zu einem erhöhten Sterberisiko für mindestens 10 Jahre nach der akuten Infektionsphase. 32,2% der Überlebenden sterben innerhalb von 10 Jahren.
Seit vielen Jahren sind wirksame Impfungen gegen Pneumokokken am Markt. Doch werden sie auch angenommen? Offenbar nur in begrenztem Ausmaß. 20 % der Befragten hat schon einmal eine Pneumokokken-Impfung erhalten, 80 % dagegen nicht. Möglicherweise mit ein Grund für die geringe Impfbereitschaft ist das Geld. Bis dato bezahlen die Gesundheitskassen die Impfung in den meisten Fällen nämlich nicht. Aber nur 16,5 % der Befragten waren bereit, den vollen Preis dafür auszugeben. Knapp die Hälfte gab an, einen Teil selbst finanzieren zu wollen, 34 % gar nichts.
Diese Daten decken sich mit vorausgegangenen Befragungen. Und das, obwohl jedes Jahr Menschen an den Folgen von Lungenentzündungen sterben. Auch wenn die Impfungen von den Gesundheitskassen nicht finanziert werden, gewähren manche aber Zuschüsse. (KFA, SVS, BVAEB, KFA Graz) Wichtig zu wissen ist, dass die Impfserie – bestehend aus je einer Impfung mit zwei verschiedenen Impfstoffen – nicht, wie zum Beispiel die Grippe-Impfung jährlich aufgefrischt werden muss. Nach heutigem Wissensstand müssen einmal geimpfte Gesunde die Impfungen überhaupt nicht wiederholen, Erwachsene mit erhöhtem Risiko nur alle 6 Jahre.

Aus welchen Gründen würden sich die Menschen impfen lassen? Für 49 % war ausschlaggebend, dass sie im Ruhestand aktiver und gesundheitlich besser abgesichert seien, 33 % würde sich impfen lassen, wenn sie mehr Informationen hätten, 29 %, um Ältere und Schwächere nicht anzustecken. 19 % wollten sich überhaupt nicht impfen lassen (Mehrfachantworten möglich).
Aufschlussreich sind die Argumente gegen eine (bisherige) Impfung. Der Hauptgrund: Die Notwendigkeit war nicht bekannt (51 %). Gefolgt von Mangel an ärztlicher Empfehlung oder Aufklärung (38 %), Bedenken bezüglich Sicherheit und Nebenwirkungen (24 %) und Kosten der Impfung (15,6 %).
Die WHO empfiehlt, jeden Besuch beim Hausarzt oder der Hausärztin für einen Impfpasscheck zu nutzen. Für Personen ab 60 Jahren ist laut Österreichischem Impfplan die Pneumokokken-Impfung empfohlen, für Risikogruppen auch darunter. Ob man zu einer Risikogruppe gehört oder nicht, sollte man daher am besten mit dem Arzt oder der Ärztin des Vertrauens besprechen. Ebenso potenzielle Sicherheitsbedenken zur Impfung.
Eine Impfung ist das ganze Jahr über möglich, so wie Pneumokokken auch das ganze Jahr über auftreten können, verstärkt im Herbst und Winter.

Weitere Informationen unter
Österreichischer Impfplan zum Herunterladen:
Quellen:
Österreichischer Impfplan 2023/24
Kruckow KL, Zhao K, Bowdish DME, Orihuela CJ. Acute organ injury and long-term sequelae of severe pneumococcal infections. Pneumonia (Nathan). 2023 Mar 5;15(1):5.