Bei Neurodermitis (atopischer Dermatitis) werden Nahrungsmittel oft zu Unrecht als Auslöser verdächtigt. Doch umgekehrt birgt eine stark ausgeprägte Neurodermitis ein erhöhtes Risiko für eine Nahrungsmittelallergie. Worauf es in puncto Ernährung zu achten gilt, erklärte die Diätologin Lisa Adelberger bei einem Webinar der Österreichischen Lungenunion.
„Da die Neurodermitis in Schüben verläuft, ist das Hautbild sehr wechselhaft. Deshalb werden Nahrungsmittel häufig als Auslöser verdächtigt. Es gibt aber viele weitere Faktoren“, erklärte Lisa Adelberger, Diätologin an der Kinderklinik am Uniklinikum Salzburg. Durch die Störung der Barrierefunktion ist die Haut durchlässiger für Reizstoffe und Bakterien, und so kann leichter eine Sensibilisierung entstehen, die dann auch in eine Nahrungsmittelallergie münden kann.
Generell ist die Haut von Menschen mit Neurodermitis durch den Wasserverlust trocken, was zu Juckreiz führt. Hier ist die richtige Therapie besonders wichtig. Gerade bei einer schweren Form der Neurodermitis ist das Risiko für die Entstehung einer Nahrungsmittelallergie erhöht, so Adelberger.
Was tun bei Verdacht auf Nahrungsmittelallergien?
Wird eine Nahrungsmittelallergie vermutet, sollte ein Neurodermitis-Tagebuch geführt und dieses anschließend mit der behandelnden Ärztin bzw. dem Arzt oder einer Ernährungsfachkraft besprochen werden. So lassen sich individuelle schubauslösende Faktoren herausfinden. Spezielle „Neurodermitis-Diäten“ seien jedenfalls Geschichte. Adelberger rät stattdessen zu gesunder, ausgewogener Ernährung, wobei individuelle Verträglichkeiten beachtet werden sollten. Eine Allergieaustestung wird nur dann empfohlen, wenn wiederholt Reaktionen nach dem Verzehr von Nahrungsmitteln aufgetreten sind, oder bei einer mittelschweren bis schweren Verlaufsform der Neurodermitis.
Generell wird bei Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie zuerst eine genaue ärztliche Anamnese und anschließend ein Hautprick- und/oder Bluttest empfohlen. Um die Diagnose zu sichern bzw. die klinische Relevanz von positiven Sensibilisierungstests zu überprüfen, ist in manchen Fällen eine orale Provokation (kontrolliertes Einführen) notwendig. Dabei wird das Nahrungsmittel unter Überwachung im Krankenhaus in immer größer werdenden Mengen mit zeitlichem Abstand verabreicht.
Keine Elimination ohne gesicherte Diagnose
Das Weglassen von Nahrungsmitteln empfiehlt Adelberger nur bei einer nachgewiesenen Allergie, denn durch das Vermeiden könne eine vorhandene Toleranz verschwinden. Generell sind hierzulande rund 30 % der Kinder mit schwerer Neurodermitis von einer Allergie betroffen, wobei die meisten dieser Kinder auf ein oder zwei Nahrungsmittel allergisch reagieren würden. In diesen Fällen sollte eine Ernährungsberatung durch eine Diätologin bzw. einen Diätologen erfolgen.
Allergien gegen primäre Nahrungsmittel wie Kuhmilch und Hühnerei seien bei Säuglingen sehr häufig und würden meist bis zum Schuleintritt verschwinden, weiß Adelsberger. Hingegen würden sekundäre (Pollen-assoziierte) Nahrungsmittelallergien mit dem Alter vermehrt auftreten. So würden Birkenpollen-assoziierte Nahrungsmittelallergien (Kern- und Steinobst, Haselnüsse, Karotten und Soja) häufig vorkommen, während Gräserpollen-assoziierte (Melone u.v.a.) sowie Beifußpollen-assoziierte Nahrungsmittelallergien (Sellerie, Kräuter, Gewürze) selten auftreten. Allergien gegen Nüsse, Erdnüsse und Fisch können Adelberger zufolge über einen langen Zeitraum bestehen.
Beikosteinführung bei Säuglingen
Die Ernährung der Mutter in Schwangerschaft und Stillzeit sollte möglichst vielfältig sein. Es sollten keine Lebensmittel weggelassen werden, es sei denn, es liege eine Allergie vor. Es wird empfohlen, vier bis sechs Monate ausschließlich zu stillen. Ab dem vollendeten vierten Lebensmonat des Säuglings kann Beikost eingeführt werden. Darauf folgt der schrittweise Übergang zur Familienkost.
„Früher hieß es, Kinder sollten so lange wie möglich vor Allergenen geschützt werden. Diese Sichtweise wird aber heute nicht mehr unterstützt. Das Immunsystem soll sich früh mit Allergenen auseinandersetzen. Lernt das Kind die Allergene zuerst über den Verdauungstrakt kennen, werden Toleranzmechanismen gefördert, wodurch das Kind einen Schutz gegen die Entstehung einer Nahrungsmittelallergie aufbauen kann“, betonte Adelberger.
Somit wird zu einer Ernährungsvielfalt geraten, die auch Fisch und Naturjoghurt miteinschließe. Ei sollte in kleinen Mengen in gebackener Form, etwa mittels Palatschinken oder Muffins, und Erdnüsse in Familien, in denen regelmäßig Erdnüsse gegessen werden, mittels Erdnussmus eingeführt werden. Bei schwerer Neurodermitis sollte zuvor eine Erdnussallergie abgeklärt werden. Alle eingeführten Lebensmittel sollten zum Toleranzerhalt möglichst regelmäßig gegeben werden.
Allgemeine Ernährungsempfehlungen
Generell sollte die Ernährung möglichst vielfältig und uneingeschränkt sein, dabei sei die individuelle Verträglichkeit zu beachten. Wenn beispielsweise ein Kuhmilchallergiker verbackene Milchprodukte verträgt, sollen diese zum Toleranzerhalt weiterhin regelmäßig gegessen werden. Bei Betroffenen mit Pollenallergie können bestimmte Obst- und Gemüsesorten und Nüsse Kreuzreaktionen verursachen. Die Nahrungsmittel sollten nicht vollständig eliminiert, sondern in verträglicher Form (erhitzt/verkocht) weiterhin gegessen werden.
„Bestimmte Lebensmittel können in größeren Mengen den Hautzustand verschlechtern“, weiß Adelberger. Dies sei beispielsweise bei Fruchtsäuren (z.B. in Zitrusfrüchten), Farb- und Konservierungsstoffen der Fall. Dennoch sei keine pauschale Meidung nötig. Im Fall einer Überempfindlichkeit der Haut spreche man von einer sogenannten Pseudoallergie.
Ernährung bei Kindern und Jugendlichen
Kindern und Jugendlichen empfiehlt die Diätologin eine altersentsprechende, gesunde Ernährung unter Berücksichtigung der individuellen Verträglichkeit. Das Weglassen bestimmter Nahrungsmittel sollte nur bei einer nachgewiesenen Allergie erfolgen, wobei das jeweilige Lebensmittel adäquat ersetzt werden sollte. „Die Prognose bei Nahrungsmittelallergien im Kindesalter ist sehr gut. Das heißt, sie verschwinden oft von selbst. Deshalb sollte die Toleranzentwicklung mit einer oralen Provokation im Krankenhaus regelmäßig überprüft werden“, empfiehlt Adelberger.
Ernährung bei Erwachsenen
Bei Erwachsenen gebe es viele andere Triggerfaktoren, die den Hautzustand beeinflussen. Hier sei eine möglichst ausgewogene, frische Mischkost mit einem hohen Gemüseanteil und möglichst wenigen Einschränkungen zu empfehlen. Es sollte keine Lebensmittelgruppe ausgeschlossen werden, die Lebensmittel auf dem Teller sollten möglichst vielfältig und bunt sein. Unverträglichkeiten seien jedenfalls abzuklären.
Weiterführende Informationen
www.richtigessenvonanfangan.at
www.gpau.de/eltern-kinderinfos/elternratgeber
Jour fixe der Österreichischen Lungenunion, 20. Oktober 2022