Eine Operation bietet die beste Heilungsaussicht bei der Diagnose Lungenkrebs. Univ.-Prof. Dr. Michael Rolf Müller, Klinik Floridsdorf, erörtert in diesem Artikel, wann eine Operation möglich ist und wie diese abläuft. Ziel des Experten ist, Menschen mit einer Lungenkrebsdiagnose ein wenig die Angst vor einer Lungenoperation nehmen. Denn je früher die Erkrankung erkannt wird bzw. je früher man mit einer Behandlung beginnt, desto besser sind die Heilungschancen.
Wenn man von heute auf morgen mit der Diagnose Lungenkrebs konfrontiert wird, stürzt für die meisten Betroffenen die eigene Welt in sich zusammen. Viele wollen die Diagnose in einer ersten Schockreaktion nicht wahrhaben, sich am liebsten nur noch zurückziehen und nichts mehr davon wissen. Das ist jedoch genau die falsche Reaktion – denn je früher die Erkrankung erkannt wird, respektive je früher man mit einer Behandlung beginnt, desto besser sind die Heilungschancen.
Besonders im frühen Stadium der Erkrankung kann allein durch eine Operation mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit eine dauerhafte Heilung erzielt werden. Aber auch wenn die Erkrankung nicht mehr im allerersten Stadium ist, gibt es heute – meist in Kombination mit einer Operation – sehr viele ganz neue medikamentöse Behandlungsformen, die viel bessere Heilungsaussichten bieten als noch vor wenigen Jahren.
Persönlich zugeschnittenes Behandlungskonzept
Wichtig ist es daher, sich möglichst rasch an einen Arzt oder eine Ärztin des Vertrauens zu wenden und an einem Zentrum mit einem spezialisierten Team die notwendigen Untersuchungen einzuleiten. Danach hat man Klarheit, um welche Form von Krebs es sich handelt und in welchem Stadium die Erkrankung ist. Diese Informationen werden dann gemeinsamen von Spezialisten der verschiedenen beteiligten Fachrichtungen wie Röntgenologen, Pathologen, Lungenfachärzten, Strahlentherapeuten und auch Thoraxchirurgen (das sind die Spezialisten für den Brustkorb) in einem sogenannten Tumorboard diskutiert. Dabei wird das jeweils beste Behandlungskonzept auf Basis der aktuellen internationalen Literatur für jeden einzelnen Patienten ausgearbeitet. Je nach Erkrankungsstadium wird entweder eine Operation oder eine medikamentösen Behandlung bzw. eine Kombination von beiden empfohlen, manchmal auch gemeinsam mit einer Strahlentherapie.
Vier verschiedene Stadien und ihre Behandlungen
Zur Vereinfachung der Entscheidungsfindung angesichts der großen Zahl unterschiedlichster Gegebenheiten und Situationen hat man die Erkrankung in vier klinische Stadien eingeteilt. Im Stadium 1 wird eine sehr gute Heilungsaussicht allein durch eine Operation erreicht. Im Stadium 2 wird meistens zuerst operiert und danach eine medikamentöse Behandlung angeschlossen, im Stadium 3 kann die Reihenfolge auch umgekehrt sein. Im Stadium 4 wird eher selten operiert und meistens eine Kombination aus medikamentöser Behandlung und Strahlentherapie empfohlen.
Die Wahl der am besten geeigneten Medikamente richtet sich in erster Linie nach dem Gewebstyp des Tumors sowie nach seinem genetischen Fingerabdruck. Dadurch wird die klassische Chemotherapie heute zunehmend von sogenannten gezielten Therapieformen des jeweiligen Tumors begleitet oder sogar abgelöst.
Notwendige Untersuchungen
Um entscheiden zu können, wie man am besten vorgehen soll, sind zuerst einige Untersuchungen erforderlich. Neben einer Computertomografie des Brustkorbs und Oberbauchs wird eine Computertomographie oder Magnetresonanzuntersuchung des Schädels durchgeführt. Empfohlen ist auch eine PET CT, das ist eine Isotopenuntersuchung des gesamten Körpers, um eine Streuung in Lymphknoten oder andere Bereiche auszuschließen. Im Rahmen einer Bronchoskopie, das ist eine Spiegelung der Atemwege in kurzer Allgemeinnarkose, kann eine Gewebsprobe vom Tumor und verschiedenen Lymphknotenstationen genommen werden.
Operationsmethoden
Bezüglich der Operation bei Lungenkrebs gibt es heute zwei gegensätzliche Entwicklungen, die sich aber sehr gut ergänzen. Die eine ist die sogenannte minimalinvasive Chirurgie, manchmal auch als Knopflochchirurgie bezeichnet. In spezialisierten Händen können heute über 80 % aller Lungenkrebsoperationen minimalinvasiv durchgeführt werden. Über einen nur vier Centimeter langen Schnitt an der Seite des Brustkorbs kann zwischen den Rippen mit einer dünnen 3D-Kamera extrem genau und schonend operiert werden. Die Präzision ist durch die starke Vergrößerung und dreidimensionale Darstellung dem offenen Verfahren sogar überlegen. Durch die schonende Operation können Schmerzen oder Komplikationen in einem hohen Maß vermieden werden. Ein durchschnittlicher Spitalsaufenthalt nach einer Lungenkrebsoperation mit dieser Knopflochtechnik beträgt etwa fünf Tage.
Während der Trend also ganz klar in Richtung schonende minimalinvasive Verfahren geht, können auf der anderen Seite durch die moderne Technologie auch lokal fortgeschrittene Tumore mit Beteiligung benachbarter Strukturen wie Wirbelsäule, große Gefäße, Luftröhre oder Brustwand sehr gut und radikal behandelt werden. Auch hier ist heute die Komplikationsrate sehr gering, der Spitalsaufenthalt aber etwas länger als nach minimalinvasiven Operationen.
Lungenfunktion testen und Risiko abklären
Bevor eine Operation aber tatsächlich stattfinden kann, muss geklärt werden, ob die Lungenfunktion ausreichend ist. Bei der Operation wird in der Regel der Tumor-tragende Lappen entfernt, bei sehr kleinen Tumoren und eingeschränkter Lungenfunktion ist manchmal nur ein Segment des betreffenden Lappens ausreichend. Zusätzlich sollten schwere Begleiterkrankungen erfasst, bewertet und – wenn dringlich erforderlich – vorbehandelt werden.
Bei guter Lungenfunktion und ohne schwere Nebenerkrankungen ist die Operation mit einem sehr geringen Komplikationsrisiko behaftet. Im Rahmen des Patientengesprächs und der detaillierten Aufklärung über das operative Verfahren kann das Risiko der Operation individuell für jeden Patienten berechnet werden. Im Allgemeinen liegt das Risiko für lebensbedrohliche Komplikationen bei größeren Lungenoperationen an spezialisierten Abteilungen bei ein bis zwei Prozent. Das bedeutet, dass die Operation bei 98 von 100 Patienten gutgeht.