Bakterielle Lungen-Besiedlung bei Kindern mit Mukoviszidose und Gesunden

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Marie-Madlen Pust mit einer Darstellung der vielfältigen bakteriellen Besiedlung der Lunge von Kindern mit Mukoviszidose und gesunden Kindern. Foto: Karin Kaiser / MHH
Marie-Madlen Pust mit einer Darstellung der vielfältigen bakteriellen Besiedlung der Lunge von Kindern mit Mukoviszidose und gesunden Kindern. Foto: Karin Kaiser / MHH

Die Untersuchung der bakteriellen Besiedlung der Lunge bei Kindern mit Mukoviszidose und Kindern ohne Lungenerkrankung ergab, dass die Gesamtzusammensetzung des Mikrobioms für die Lungengesundheit entscheidend ist.

Bei Menschen mit der angeborenen, vererbten Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose (die Lungenkrankheit wird auch als zystische Fibrose bezeichnet) kommt es durch eine genetische Veränderung zu einem gestörten Salz- und Wassertransport in den Körperzellen. In Österreich sind rund 800 Menschen von der Lungenerkrankung betroffen, wobei mehr als die Hälfte erwachsen ist. Diagnostiziert wird die Mukoviszidose meist im Rahmen des Neugeborenenscreening. Bei Betroffenen bilden die Drüsenzellen in Lunge, Darm, Leber und Bauchspeicheldrüse statt flüssigem Sekret einen zähen Schleim, der u.a. die Bronchien verstopft und so die Atemwege blockiert. Auch wenn die zystische Fibrose nicht heilbar, lässt sich die Erkrankung mit Inhalieren, Physiotherapie und individuellen Atemtechniken meist gut behandeln.

Lungenflora-Zusammensetzung bei Kindern mit und ohne zystischer Fibrose

An der Medizinischen Hochschule Hannover wurden Hustenabstriche von 52 gesunden Kindern im Alter von drei Wochen bis sechs Jahren gesammelt, auf vorhandene Mikroorganismen getestet und mit denen von 41 gleichaltrigen Mukoviszidose-Erkrankten verglichen. So versuchten die Forschenden um Prof. Dr. Dr. Burkhard Tümmler herauszufinden, wie sich ein gesundes Mikrobiom der unteren Atemwege entwickelt.

Lebensgemeinschaft von Mikroorganismen in der Lunge

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden heraus, dass sich das Lungenbiom von gesunden und kranken Kinder in den ersten drei Lebensjahren kaum voneinander unterscheidet. Die Zusammensetzung aus unterschiedlichen Bakterienarten steht offenbar in Wechselbeziehung zueinander und bildet eine Art Netzwerk. Zu diesem Netzwerk gehören überraschenderweise auch Krankheitskeime wie Staphylococcus aureus oder der gefürchtete Mukoviszidose-Erreger Pseudomonas aeruginosa, der als Umweltkeim beinahe überall vorkommt.

Gesamtzusammensetzung des Mikrobioms für Lungengesundheit entscheidend

Im ersten Lebensjahr ist das auch als Mikrobiom bezeichnete Netzwerk (eine Lebensgemeinschaft aus Bakterien, Viren und Pilzen, die für die Funktion des Organs unverzichtbar ist) bei Kindern mit Mukoviszidose zwar etwas instabiler, bei Zwei- bis Dreijährigen gibt es jedoch kaum Unterschiede. Erst mit zunehmendem Alter ändert sich das Mikrobiom bei Kinder mit Mukoviszidose wieder. Die Vielfalt der Bakterienarten nimmt ab, die Krankheitskeime überwiegen und setzen sich chronisch in der Lunge fest – und das sensible Netzwerk bricht auseinander. Obwohl die Lungen gesunder Kinder eine wesentlich höhere Bakterienlast aufweisen, bleibt bei ihnen das Netzwerk stabil.

Blick in die Zukunft

Die Befunde der gesunden Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer können als Vergleichswert für weitere Untersuchungen verwendet werden. Das ist ein großer Vorteil für die Forschung, denn bislang konnten nur die Befunde unterschiedlich kranker Kinder verglichen werden.

Die Studie gibt auch einen Hinweis für die Therapie von Menschen mit Mukoviszidose: Während die Behandlung älterer Patientinnen und Patienten nur eingeschränkt möglich ist, gibt es bei Kleinkindern offenbar ein Zeitfenster, in dem die biologischen Prozesse in der Lunge für den weiteren Krankheitsverlauf günstig beeinflusst werden können.

Originalpublikation

Pust, MM., Wiehlmann, L., Davenport, C. et al. The human respiratory tract microbial community structures in healthy and cystic fibrosis infants. npj Biofilms Microbiomes 6, 61 (2020). DOI https://doi.org/10.1038/s41522-020-00171-7

Quelle: Medizinische Hochschule Hannover