Die frühere psychosomatische Literatur hat Asthmatikern bestimmte Persönlichkeitszüge zugeschrieben, die als Krankheitsauslöser gesehen wurden. Unter psychosomatischen Krankheiten allgemein sind solche Erkrankungen zu verstehen, bei deren Entstehung und weiterem Verlauf neben biologischen Faktoren vor allem die psychischen Bedingungen eine ganz besondere Rolle spielen. Da psychische Auffälligkeiten, wie besondere Ängstlichkeit, Angespanntheit, etc. häufig bei Menschen mit Asthma beobachtet wurden, wurde diese Krankheit oft als Psychosomatose bezeichnet.
In neueren psychosozialen Forschungsansätzen legt man das Hauptaugenmerk auf Klärung der Frage, durch welche psychotherapeutischen Verfahren das Ausmaß bestehender Angst und die Häufigkeit von Anfällen reduziert werden kann. Neuere Ansätze der wissenschaftlichen Psychologie (unter dem Namen: Verhaltensmedizin) betonen ein Zusammenwirken biologischer, psychologischer sowie sozialer Faktoren bei der Entstehung und dem Verlauf von Atemwegserkrankungen.
Der Verhaltensmedizin liegt ein biopsychosoziales Verständnis von Gesundheit und Krankheit zugrunde, wonach Krankheiten sich nicht mit einem einfachen Kausalmodell hinreichend beschreiben lassen. Das heißt, nicht ein bestimmter innerer, ungelöster Konflikt führt zu Krankheit, sondern ein Zusammenwirken mehrere Faktoren.
Asthma wird als multifaktorielles Krankheitsgeschehen betrachtet, wobei auch psychische Faktoren Einfluss nehmen können.
Wenn Patienten von Asthma und Psychotherapie reden, denken die meisten an die Frage der Entstehung von Asthma, an mögliche psychische Ursachen dieser Erkrankung. Viele haben vielleicht schon in das eine oder andere Buch über Psyche und Asthma, von denen es ja viele gibt, von denen einige allerdings leider auch sehr unseriös und unwissenschaftlich geschrieben sind, hineingeschaut, um etwas mehr über sich zu erfahren.
Sehr oft werden sie dann davon abgeschreckt, oder die Theorien treffen auf inneren Widerstand, und zwar, weil sehr oft die Frage der Schuld im Mittelpunkt steht. Immer wieder wurde versucht, Asthmatikern bestimmte Wesensarten zuzuschreiben. Die Liste der zugeschriebenen Eigenschaften ist lang: so wurden Asthmatiker als abhängiger, sanfter, empfindsamer, ängstlicher, aggressiver und perfektionistischer beschrieben.
Schaut man sich diese Untersuchungen, die solchen Beschreibungen zugrunde liegen, genauer an, stößt man sehr oft auf Einzelfallstudien, deren Ergebnis dann verallgemeinert wurde. Ganz so einfach ist die Sache aber nicht. Gewisse Persönlichkeitszüge sind nicht so sehr – oder wenn, dann zumindest nicht eindeutig feststellbar – Auslöser, sondern vielmehr Folgen einer chronischen Erkrankung. Manche Eigenschaften eines Menschen verstärken sich oder schaukeln sich gegenseitig auf; so können Asthmatiker, die oft Anfälle erlebt haben, immer ängstlicher werden, dadurch gereizter und aggressiver, weil dauernd in ”Angstbereitschaft” und kommen so leicht in einen Teufelskreis, den sie ohne fremde Hilfe nicht mehr durchbrechen können.
Es geht nicht um Heilung, sondern um richtigen Umgang mit der Krankheit. Hier wiederum ist es erforderlich, zu analysieren, wie gehe ich als Patient mit meiner Erkrankung um, bestimmt die Krankheit mein ganzes Leben, definiere ich mich nur noch über die Krankheit?
Es geht darum, Kontrolle zurückzugewinnen. Atemwegserkrankungen gehen immer mit dem Gefühl von Kontrollverlust einher, die Auswirkungen dieses Gefühls sind besonders massiv bei Patienten, die durch besondere Lebensumstände ohnedies die Überzeugung haben, auf nichts in ihrem Leben wirklich Kontrolle ausüben zu können.
Hat z.B. ein Mensch durch viele Enttäuschungen immer wieder die Erfahrung gemacht, allem hilflos ausgeliefert zu sein, so wird er sich auch der Krankheit gegenüber völlig passiv und resignativ verhalten. Eine Aufarbeitung seiner früheren leidvollen Erfahrungen in einer Psychotherapie kann entscheidend zu einem anderen, zur Verbesserung der Lebensqualität führenden Umgang mit Krankheit beitragen.
Akzeptanz der Erkrankung
Besonders junge Menschen tun sich schwer mit der Akzeptanz einer Atemwegserkrankung. Viele verbinden sie mit Schwäche, genieren sich dafür. Die Selbstwahrnehmung als „krank, nicht fit und vital“ passt nicht ins erwünschte Selbstkonzept eines unternehmungslustigen, starken und leistungsfähigen Menschen. Je besser ich als Betroffener allerdings die chronische Erkrankung akzeptiere, umso weniger erlebe ich emotionalen Stress.
Dieser emotionale Stress durch die Nicht-Akzeptanz der Erkrankung führt seinerseits wieder dazu, dass zusätzliche persönliche und berufliche Belastungen stärker empfunden werden. Jeder Mensch kann nur ein gewisses Maß an Stress aushalten und bewältigen. Fordert die Akzeptanz der Erkrankung zu viel Stress, so fehlt mir als Betroffener die Kraft, mit anderen, zusätzlichen Belastungen adäquat umzugehen.
Zwei Grundkonflikte lassen sich signifikant häufig bei Patienten dieser Krankheitsgruppe finden:
- Abhängigkeits – Unabhängigkeits – Konflikt
- Nähe – Distanz – Konflikt
Für diese innerpsychischen Konflikte typisch sind Probleme mit Autoritäten, Unterdrücken von Aggressionsäußerungen, Bedürfnis nach Nähe, aber gleichzeitig Angst davor, diese Nähe auszuhalten. Wie vorhin erwähnt, sind diese Probleme nicht immer Auslöser für die Erkrankung gewesen, sondern oft Folgeerscheinungen der Anpassung an die Krankheit, oder der versuchten Anpassung daran.
Welche Ansatzpunkte gibt es, die psychotherapeutische Hilfestellungen notwendig oder hilfreich erscheinen lassen?
In Untersuchungsergebnissen konnten nachgewiesen werden:
- Zusammenhänge zwischen Angstbereitschaft und Anfallshäufigkeit: Bei Patienten mit Asthma bronchiale sind Zusammenhänge zwischen bestimmten Gefühlen und Spasmen der Bronchien sowie Zusammenhänge zwischen Ausmaß bestehender Angst und Häufigkeit von Anfällen experimentell nachgewiesen.
- Asthmatiker reagieren im Vergleich zu Nichtasthmatikern in psychischen Belastungsreaktionen mit einem signifikanten Anstieg des Atemwiderstandes.
- Durch psychotherapeutische Verfahren insbesondere Entspannungs-therapien können Bronchospasmen günstig beeinflusst werden.
Die Autorin: Dr. Christa Wenninger
Klinische Psychologin und Psychotherapeutin
Lehrbeauftragte am Institut für medizinische Psychologie
Tel: 01 / 495 16 28