Die Urtikaria ist charakterisiert durch das plötzliche Auftreten von juckenden Quaddeln und/oder Angioödemen. Dabei kann die Haut des ganzen Körpers oder nur ein Teil betroffen sein. Die Quaddeln können nur nach bestimmten Reizen (z.B. Kälte, Druck oder Sonnenlicht) oder spontan, d.h. scheinbar ohne besonderen Grund auftreten.
Eine Quaddel hat drei typische Merkmale:
• eine oberflächliche Schwellung der Haut unterschiedlicher Größe, fast immer umgeben von einer Rötung
• Juckreiz oder auch Brennen
• Flüchtigkeit, wobei sich das Erscheinungsbild der Haut meist innerhalb von 1–24 Stunden wieder normalisiert.
In ihrer Erscheinungsform erinnern diese Erhebungen an die durch die Brennhaare der Brennnessel lat. Urtica dioica – verursachten Hautschwellungen. Die betroffene Stelle der Haut schwillt an und wird zunächst rot, später im Zentrum eher abgeblasst bis weiß und rundherum rot. Die Quaddeln scheinen manchmal bestehen zu bleiben oder zu „wandern“. Dieser Eindruck entsteht dadurch, dass die einzelne Quaddel zwar sehr wohl verschwindet, gleich daneben aber eine neue auftritt. Nicht selten treten neben Quaddeln (manchmal auch ohne Quaddeln) tiefe Schwellungen der Haut, sogenannte Angioödeme auf.
Urtikaria ist eine der häufigsten Erkrankungen der Haut. Sie ist auch unter den Namen Nesselsucht, Quaddelsucht oder Nesselfieber, im Englischen auch als hives, bekannt. Ungefähr jeder vierte Mensch bekommt im Laufe ihres oder seines Lebens eine Urtikaria. Die meisten dieser Episoden dauern nur wenige Tage oder Wochen und sind unproblematisch. Man spricht dann von einer Akuten Urtikaria. Weitaus schwieriger (zu ertragen und zu behandeln) sind solche Fälle, die über mehrere Monate oder Jahre (mitunter Jahrzehnte) bestehen. Der Name Urtikaria leitet sich übrigens von der Brennnessel (lat. Urticaria dioica oder Urticaria urens, urere = brennen) ab – sicher deshalb, weil die Haut bei einer Nesselsucht so aussieht, als habe man sich an Brennnesseln “verbrannt”.
Was passiert in der Haut?
Typisch für die Urtikaria ist das stark wechselnde Bild der Haut. Die Quaddeln kommen und gehen begleitet von starkem Juckreiz oft sehr rasch. Am Morgen ist die Haut mit Quaddeln übersät und am Nachmittag beim Arzt ist nichts mehr zu sehen. Während eines Schubes sind am häufigsten Quaddeln zu sehen, aber auch Rötungen und tiefe Hautschwellungen sind nicht selten. Bei rund der Hälfte aller PatientInnen mit Urtikaria kommen sowohl Quaddeln als auch tiefe Hautschwellungen vor. Ca. 40% der Patienten bekommen nur Quaddeln und ca. 10% bekommen ausschließlich Angioödeme.
Die Mastzelle spielt die größte Rolle bei der Auslösung der Urtikaria. Mastzellen sind Abwehrzellen des Immunsystems, die normalerweise aktiv werden, wenn Eindringlinge wie Parasiten oder Bakterien in den Körper gelangen. Sie töten und fressen diese auf oder alarmieren Zellen des Immunsystems, also des Abwehrsystems unseres Körpers, und locken diese an den Ort des Geschehens. Mastzellen kommen neben der Haut auch in den Atemwegen und Schleimhäuten des Magen-Darm-Traktes vor, dies erklärt, warum sich die Urtikaria besonders an diesen Stellen bemerkbar macht. Die Reizung der Mastzellen in den äußeren Hautschichten führt zu Quaddeln, die den inneren Hautschichten zu tieferen Schwellungen. Die Histaminausschüttung aus der Mastzelle führt in den Atemwegen zu Atemnot, im Magen-Darmtrakt zu Bauchschmerzen, Übelkeit und Durchfall.
Warum juckt es?
Der Juckreiz das größte Problem für Patientinnen und Patienten mit einer Urtikaria oder auch Nesselsucht. Besonders der nächtliche Juckreiz kann extrem belastend sein, denn er raubt den Schlaf und stellt eine dramatische Einschränkung der Lebensqualität dar.
Besonders schlimm ist der Juckreiz für Betroffene, die an einer sogenannten Urticaria Factitia leiden. Hier führt das Kratzen und Reiben der Haut zum Auftreten neuer Quaddeln und weiterem Juckreiz. Kleinste Reizungen der Haut, z.B. unbewusstes Reiben der Haut im Schlaf, können reinste Juckreizattacken hervorrufen.
Entstehung des Juckreizes
Die Ausschüttung von Histamin aus Mastzellen führt unmittelbar zu Juckreiz.
Viele Substanzen können Juckreiz auslösen. Gemeinsam ist diesen Substanzen, dass sie den Gewebebotenstoff Histamin freisetzen, der eine Schlüsselrolle bei der Juckreizauslösung einnimmt. Die sogenannten Mastzellen des Immunsystems setzen bestimmte Botenstoffe (insbesondere Histamin) frei, Fast alles Histamin, das in der Haut vorkommt, ist in den sogenannten Mastzellen gespeichert. Werden diese Zellen aktiviert, d.h. werden diese Zellen durch einen Reiz stimuliert, dann ist das das Startsignal für eine örtlich begrenzte oder sich großflächig ausbreitende Entzündung der Haut. In der Folge weiten sich die Haargefäße, die Haut schwillt an, wird rot, juckt – und es bilden sich die Quaddeln.
Das Histamin stimuliert aber auch Nervenfasern in der Haut, die dann bestimmte juckreiz-auslösende Substanzen (Neuropeptide) freisetzen. Diese Neuropeptide verursachen nicht nur Juckreiz sondern aktivieren wiederum die Mastzellen, so dass ein wahrer Teufelskreis beginnt, der erst endet, wenn keine Mastzellen und Nerven mehr zu aktivieren sind. Mastzellen sind bevorzugt in unmittelbarer Nähe von Gefäßen und Nerven lokalisiert. Die Verständigung zwischen Mastzelle, Gefäßzelle und Nervenfaser funktioniert daher hervorragend.
Nach einem Insektenstich oder nach dem Kontakt mit Brennnesseln spüren wir den juckreizauslösenden Effekt des Histamins am Deutlichsten. Neben Substanzen, die körpereigenes Histamin freisetzen, ist in dem Gift vieler Insekten und auch Juckreiz-auslösender Pflanzen Histamin enthalten, das in die Haut eindringt und diese reizt. Dieser Reiz führt dazu, dass wir die Haut kratzen oder reiben und damit mehr Blut an diese Stelle gelangt, wodurch die reizenden Stoffe schneller abtransportiert werden können.
Was ist ein Angioödem?
Ein Angioödem ist eine Quaddel der tieferen Haut. Während bei der Quaddel direkt unter der Hautoberfläche Flüssigkeit aus den Gefäßen austritt, liegt das “Leck” beim Angioödem in den tieferen Hautschichten.
Das Angioödem (Angio = Gefäß, Ödem = Wasseransammlung im Gewebe) ist charakterisiert durch:
• eine plötzliche, ausgeprägte Schwellung der tieferen Hautschichten
• manchmal Schmerzen, nur selten Juckreiz
• häufige Beteiligung der Schleimhäute — eine Rückbildung, die mit bis zu 72 Stunden länger dauert als bei Quaddeln.
Die entstehende Beule hat einen weniger gut sichtbaren Rand und ist in der Farbe von normaler Haut oft nicht zu unterscheiden. Angioödeme treten häufig im Gesichtsbereich, besonders um die Augen und an den Lippen, und an den Händen und Füßen auf. Meistens sind die Schwellungen im weiteren Sinne allergiebedingt und werden durch den Botenstoff Histamin vermittelt. Es gibt aber auch andere, nicht-allergische und nicht-Histamin-vermittelte Ursachen für Haut- und Schleimhautschwellungen.