„Die Lungenkranken haben jetzt eine Lobby“

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Günter Rummer war Präsident der Österreichischen Lungenunion von 1.1.2017 – 31.12.2023 und ist bis heute Sprecher für die Lungenunion Vorarlberg. Die Österreichische Lungenunion möchte sich an dieser Stelle bei ihrem langjährigen Präsidenten Herrn Rummer für sein Engagement und seine hervorragende Arbeit im Bereich der Lungengesundheit bedanken.

Herr Rummer ist seit vielen Jahren ein unermüdlicher Verfechter der Anliegen von Menschen mit Atemwegserkrankungen. Er hat sich sowohl auf politischer als auch auf gesellschaftlicher Ebene erfolgreich für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Betroffenen eingesetzt. Herzlichen Dank dafür!

Im nachfolgende Interview blickt er auf die sieben Jahre seiner Präsidentschaft zurück, wagt aber auch einen Blick in die Zukunft. 

Sie waren jetzt 7 Jahre Präsident der Österreichischen Lungenunion. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?

Rummer: In meine Zeit als Präsident ist vor allem die Corona-Pandemie gefallen, die natürlich sehr große Auswirkungen auf uns als Lungenunion gehabt hat. Es gab plötzlich keine Veranstaltungen mehr, keine Möglichkeit, die Menschen vor Ort zu beraten. 

Wir haben dann vermehrt aufs Internet gesetzt. Dennoch war es in dieser Zeit schwierig, den Bezug zur Basis zu halten. Unsere Mitglieder sind zu einem großen Teil älter, viele haben sich nicht oder kaum mit dem Internet beschäftigt. Dennoch war es wichtig, dass wir den Weg ins Internet gegangen sind. Heute haben wir eine wunderbare Website mit vielen wertvollen Informationen für Lungenkranke.

Wie war die Situation für die Patient:innen in der Coronazeit und was konnten Sie für die Lungenkranken tun?

Rummer: Am Anfang gab es natürlich eine riesige Verunsicherung durch Corona. Niemand hatte gesicherte Informationen, die Medien waren voll mit angstmachenden Inhalten. Auch die Politik hat mit ihren Aussagen zur Verunsicherung beigetragen. 

Wir wurden mit Anfragen von Medien und von unseren Mitgliedern überschwemmt und haben unser Bestes getan, um die Situation zu beruhigen.

Als dann die Impfung kam, konnten wir erreichen, dass die Lungenkranken vorgereiht wurden. Ursprünglich waren Menschen mit COPD und anderen Lungenerkrankungen in der Priorität Personen in Asylheimen und Gefängnissen gleichgestellt. Wir haben so lange keine Ruhe gegeben, bis sich das geändert hat und wir als besonders vulnerable Gruppe vorgezogen wurden. 

Wie sehen Sie die Rolle des Präsidenten der Österreichischen Lungenunion? Wie haben Sie sie damals angelegt?

Rummer: Der Präsident ist der Repräsentant nach außen. Er vertritt den Verein in der Öffentlichkeit, bei der Jahreshauptversammlung oder am Weltlungentag. Es ist ein bisschen wie beim Bundespräsidenten. Ich habe mich eingebracht, wenn ich es für nötig gefunden habe und wenn ich ein Anliegen hatte. Ich war da, wenn man mich gebraucht und wenn mein Gesundheitszustand es erlaubt hat. 

Was hat sich in der Zeit, seit Sie Mitglied bei der Lungenunion sind, verändert?

Rummer: Früher waren Lungenkrankheiten die Krankheiten der armen Leute. Sie wurden möglichst weit weg untergebracht, in Wien zum Beispiel auf der Baumgartner Höhe. Lungenkrankheiten waren ein Tabu-Thema. 

Mittlerweile wird mehr geforscht, es gibt neue Medikamente. Die Betroffenen sind jetzt auch viel besser über ihre eigene Krankheit informiert. Mit der Zeit und durch die Öffentlichkeitsarbeit der Lungenunion hat sich das Image der Lungenkranken außerdem deutlich gebessert. Sie haben mit der Lungenunion jetzt eine Lobby.

Wie sind Sie selbst zur Österreichischen Lungenunion gekommen?

Rummer: Bei mir wurde 2004 nach einem Pneumothorax (Anm. Totalkollaps eines Lungenflügels) eine COPD diagnostiziert. Ich stand voll im Berufsleben und wusste nicht, wie ich mit der Krankheit umgehen sollte, wo ich einen Behindertenausweis herbekäme etc. Nachdem ich mir all diese Informationen – in Eigeninitiative – beschafft hatte, habe ich mich mit Otto Spranger, der damals schon der „Grand-Seigneur“ der Lungenunion war, in Verbindung gesetzt. Es war mir ein Anliegen, dass andere Betroffene von meinen Informationen ebenfalls profitieren. 

Ich habe dann den Vorarlberger Ableger der Lungenunion gegründet. Für mich ist die Basis einer Selbsthilfegruppe, dass sie den Betroffenen so viel Unterstützung wie möglich gibt. Vor 20 Jahren gab es für sie keine oder kaum Informationen. Heute ist das anders. Unsere Zeitschrift liegt zum Beispiel in allen Lungenabteilungen der Krankenhäuser oder in Praxen der Pulmolog:innen auf.

Wo muss ihrer Meinung nach noch angesetzt werden, um das Leben von Lungenkranken zu verbessern?

Rummer: Unter anderem bei der Versorgung durch Lungenfachärzt:innen. In Vorarlberg haben wir zum Beispiel nur 5 Kassenärzt:innen, man wartet ein halbes Jahr auf einen Termin. Auch mit den Wahlärzt:innen haben wir noch viel zu wenige Fachärzt:innen. Manche legen sogar den Kassenvertrag zurückgelegt, weil sie auf diese Art und Weise mehr Zeit für die Patient:innen haben. Eine Situation, die in ganz Österreich ähnlich ist. 

Außerdem brauchen wir mehr Möglichkeiten für eine ambulante Reha, das wäre wahnsinnig wichtig. In Vorarlberg gibt es im Moment nur einen Physiotherapeut:innen, der Atemübungen anbietet. Egal, ob COPD, Asthma oder Lungenkrebs: Alle bräuchten in diesem Bereich wesentlich mehr Unterstützung. 

Derzeit arbeiten wir daran, auf diese Situation aufmerksam zu machen, in dem wir uns zum Beispiel aktiv an Medien wie den ORF und die Presse wenden.

Wo sehen Sie die Lungenunion in 10 Jahren?

Rummer: Wir müssen unbedingt von den öffentlichen Gebietskörperschaften anerkannt werden. Nicht nur die Lungenunion, sondern alle Selbsthilfeorganisationen. Die Selbsthilfeorganisationen werden immer noch zu wenig beachtet und geschätzt, dabei leisten sie eine gewaltige Aufklärungsarbeit, obwohl wir uns das eigentlich vom Staat wünschen.  Die Selbsthilfeorganisationen müssen aufgewertet werden. Da gibt es noch wahnsinnig viel zu tun. 

Bis heute erhalten wir keinen Cent aus öffentlichen Mitteln. Dabei gibt es jedes Jahr allein in Vorarlberg 280 Lungenkrebsdiagnosen pro Jahr. In ganz Österreich über 5.000! Außerdem gibt es ca. 800.000 Meschen, die eine COPD haben und über 600.000 mit Asthma. Wenn wir noch Betroffene von Allergien, Neurodermitis und Urtikaria dazunehmen, repräsentiert die Österreichische Lungenunion ca. 3 Mio. Menschen.

Im Moment finanzieren wir uns großteils durch Sponsoren, die Mitgliedsbeiträge und Spenden machen nur einen kleinen Teil unseres Budgets aus. Das muss sich ändern. 

Insgesamt hat sich in den letzten Jahren aber viel getan, vor allem durch das Engagement von Gundula Koblmiller. Vorher waren wir ein „Vereinderl“. Jetzt sind wir ein Verein beziehungsweise eine große Patient:innenorganisation und erreichen viele Menschen übers Internet, bei unseren live Onlineveranstaltungen, durch unsere Kampagnen und Atemtrainings. Und natürlich gibt es auch wieder vermehrt persönliche Mitgliedertreffen. 

Vielen Dank für das Gespräch!