Neue und moderne Neurodermitis-Therapien

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Im Rahmen eines Online Jour fixe der Österreichischen Lungenunion sprach Dr. Gregor Holzer über neue und moderne Neurodermitis-Therapien wie Biologika und small molecules. Diese erweitern das therapeutische Spektrum erheblich, sodass eine Langzeitkontrolle der Neurodermitis möglich wird. Beide Substanzen eignen sich als Ergänzung zur Basistherapie und topischen Kortikosteroiden (Kortison).

Dass es eine Selbsthilfegruppe gibt, die sich den Anliegen von Menschen mit Neurodermitis bzw. atopischer Dermatitis widmet, begrüßte Dr. Gregor Holzer, Oberarzt an der dermatologischen Abteilung der Klinik Donaustadt, gleich zu Beginn seines Vortrags am 15. September 2021: „So etwas gehört gefördert, weil ich oft damit konfrontiert werde, dass Patienten die Hilfe und den Dialog untereinander suchen.“ Der Neurodermitis-Experte bedauert, dass es im Bereich der wahrscheinlich häufigsten chronisch entzündlichen Hauterkrankung lange nichts Neues gab und zeigte sich deshalb beim Online Jour-fixe erfreut, über die wesentlichen Fortschritte in der Therapien für Menschen mit Neurodermitis berichten zu können.

Neurodermitis-Haut ist durchlässiger

Bei Neurodermitis führt der meist schlechtere natürliche Hautschutz, die sogenannte Hautbarrierestörung, zu Ekzemen und Juckreiz. „Und Juckreiz ist wirklich quälend“, weiß Holzer. Meist beginnt die Neurodermitis in der Kindheit, es gibt aber auch einen späteren Krankheitsbeginn. Wann auch immer die Erkrankung beginnt: Das „fehlgeleitete Immunsystem“ bewirkt in Kombination mit einem vererbten Hautbarrieredefekt eine chronische Entzündung. Durch die defekte Hautbarriere können Bakterien und Allergene leichter in die Haut eindringen und das Immunsystem reagiert überempfindlich.

Doch die genetische Anlage spielt nur zum Teil eine Rolle. Auch Umweltfaktoren wie beispielsweise Sonne, Lebensmittel, Wollkleidung, Schwitzen oder Stress können die Neurodermitis triggern und zum Auftreten von Ekzemen führen. Aus diesem Grund rät Holzer betroffenen Personen: „Die eigenen Triggerfaktoren, also die Auslöser, sollte man kennen und nach Möglichkeit vermeiden.“

Hautläsionen sind Spitze des Eisbergs

„Entzündliche Hautveränderungen sind nur die Spitze des Eisbergs“, weiß der Neurodermitis-Experte. Betroffene leiden auch unter Juckreiz und Schlafstörungen, Begleiterkrankungen wie Heuschnupfen, Asthma und Nahrungsmittelallergien sowie psychiatrischen und Autoimmun-Erkrankungen wie etwa der Weißfleckenkrankheit oder kreisrundem Haarausfall. Zudem kommt es öfter zu bakteriellen und viralen Infektionen. All diese Faktoren gilt es bei der Therapieauswahl zu berücksichtigen.

Dr. Gregor Holzer

Altbekannte Therapien

Bis vor kurzem gab es keine wirksame, sichere Therapie zum Schlucken. Deshalb wurde vermehrt auf Kortison in Salbenform, Calcineurin-Inhibitoren und auch Lichttherapie gesetzt. Da Holzers Patientinnen und Patienten bestehende schulmedizinische Therapie-Konzepte oft als aufwändig erleben, setzen viele auf Alternativmedizin oder Therapien, die an der Ursache ansetzen. Bei der bisher verfügbaren, oralen Therapie wie Immunsuppressiva gibt es wenig Erfahrung zur Wirksamkeit und den Langzeit-Nebenwirkungen bei Personen mit Neurodermitis. Kortison zum Schlucken ist zwar für Neurodermitis zugelassen, sollte laut Holzer aber möglichst vermieden werden.

Neurodermitis-Therapie mit Biologika

Mittlerweile verfügbare Biologika bzw. Biopharmazeutika werden alle zwei Wochen in Form von Spritzen oder Infusionen verabreicht. Durch diese Therapie wird das Immunsystem gewissermaßen umpolarisiert. Vor der Verabreichung sind keine Voruntersuchungen nötig, die Wirkung setzt nach zwei bis vier Wochen ein. Es ist keine fruchtschädigende Wirkung bekannt, allerdings kommt es bei jeder zehnten Person zu einer Bindehautentzündung. Die Kosten für Antikörpertherapien belaufen sich auf rund 1.000,000 EUR pro Monat, weshalb sie von Kassen oft abgelehnt werden.

Neurodermitis-Therapie mit JAK-Inhibitoren

Ein weitere moderne Therapie-Möglichkeit sind small molecules bzw. JAK-Inhibitoren, die einmal täglich als Tablette eingenommen werden. Die kleinen Moleküle unterdrücken die Entzündung und den Juckreiz auf einer breiteren Basis und führen bereits ein bis zwei Tage nach der ersten Verabreichung zu einer erheblichen Verbesserung des Juckreizes. Allerdings sind Voruntersuchungen und regelmäßige Blutkontrollen nötig, und Frauen müssen unter dieser Therapie verhüten. Es kann zudem zu Infektionen wie beispielsweise Herpes, Akne oder Kopfschmerzen kommen. Die Kosten für Therapien mit small molecules belaufen sich auf rund 500,00 EUR pro Monat.

Zusammenfassend zeigt sich Holzer über die Erweiterung des Therapie-Spektrums und die Möglichkeit der Langzeitkontrolle der Neurodermitis durch Biologika und small molecules erfreut.

Studienteilnehmende gesucht

Kinder mit mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis können an einer klinischen Studie teilnehmen. Ziel dieser Studie ist, die Wirksamkeit eines Medikamentes, das bereits bei Erwachsenen zu sehr guten Ergebnissen führt, auch bei sehr jungen Patientinnen und Patienten zu überprüfen. Bei Interesse senden Sie bitte ein E-Mail an: donauspital.derma@gmail.com

Quelle: Online Jour-fixe der Österreichischen Lungenunion, 15.09.2021