Ist die COVID-19-Impfung auch bei bestehenden Allergien und Asthma unbedenklich? Berichte über allergische Reaktionen auf die beiden derzeit verfügbaren mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 sorgen zurzeit für Verunsicherung bei Menschen mit Allergien und Asthma. Prim. Priv.-Doz. Dr. Fritz Horak gibt Entwarnung und erläutert, wann und bei wem tatsächlich Risken bestehen können.
Bei den derzeit verfügbaren mRNA-COVID-19-Impfstoffen von BioNtech/Pfizer und Moderna traten in sehr seltenen Fällen kurz nach der Impfung schwere Allgemeinreaktionen auf, weshalb die britische Gesundheitsbehörde zeitlich befristet empfahl, Patientinnen und Patienten mit „schweren Allergien“ oder „Anaphylaxie“ von der Impfung auszuschließen. Dies führte auch in Österreich zu Unklarheiten.
Prinzipiell kann es bei jeder Impfung (nicht nur gegen COVID-19) in sehr seltenen Fällen (1 Fall auf 100.000 bis 1 Million Impfungen) zu allergischen bzw. anaphylaktischen Reaktionen kommen – bedingt durch den Impfstoff selbst oder durch Hilfsstoffe/Zusatzstoffe im Impfstoff. Das Risiko für eine schwere allergische Reaktion liegt bei den mRNA-Impfstoffen bei 1:100.000.
Prim. Priv.-Doz. Dr. Fritz Horak vom Arbeitskreis Allergie und Asthma der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) und Leiter des Allergiezentrum Wien West erklärt in einer Aussendung der ÖGP: „Das ist zwar etwa zehnmal höher als bei anderen bekannten Impfungen, wie zum Beispiel der Influenza-Impfung, aber noch immer sehr, sehr gering.“ Bislang seien alle schweren allergischen Reaktionen auf die COVID-19-Impfungen glimpflich ausgegangen, so Horak. Es wurde über keinen einzigen Todesfall aufgrund einer allergischen Reaktion berichtet.
Sollen sich Menschen mit Allergien oder Asthma gegen COVID-19 impfen lassen?
Obwohl Patienten mit Allergien oder Asthma kein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung haben, sei eine Impfung entsprechend der Indikation dennoch auf jeden Fall sinnvoll und empfehlenswert, so der Kinder-Pneumologe, Allergologe und Pädiater Horak.
Bei gut kontrolliertem Asthma, Heuschnupfen (Pollenallergie), Neurodermitis, Urtikaria, aber auch Nahrungsmittelallergien, Insektengiftallergien, Kontaktallergien oder Allergien bzw. Unverträglichkeiten gegen Schmerzmittel und Antibiotika besteht Horak zufolge kein erhöhtes Impfrisiko im Vergleich zur gesunden Bevölkerung.
Anaphylaktischer Schock
Hat man allerdings schon einmal eine schwere allergische Reaktion (Anaphylaxie) gegen eine Impfung erlebt, ist Vorsicht geboten. Unter Anaphylaxie oder anaphylaktischer Reaktion wird eine schwere maximale allergische Sofortreaktion bezeichnet. Sie tritt unmittelbar oder Minuten nach dem Kontakt mit dem auslösenden Allergen auf. Genau genommen passiert dabei dasselbe wie bei jeder anderen allergischen Reaktion, nur in extrem starkem Ausmaß: Der Körper, der nach dem Erstkontakt mit dem jeweiligen Allergen Antikörper, sogenannte Immunglobuline, gebildet hat, reagiert bei neuerlichem Kontakt mit einer Immunantwort. Nur ist diese bei einer Anaphylaxie überschießend und es wird Histamin in großen Mengen freigesetzt, mit mitunter lebensbedrohlichen Folgen. Die glatte Muskulatur zieht sich zusammen, die Blutgefäße sind schlagartig erweitert, dadurch kommt es einem dramatischen Blutdruckabfall und im schlimmsten Fall zu einem Kreislaufversagen. Lebenswichtige Organe können nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt werden, es besteht Lebensgefahr.
Horak: „Bei Atemnot und Kreislaufproblemen muss sofort medizinisch interveniert werden.“ Prinzipiell sollte bei allen Ärzten und Impfzentren, die eine COVID-19-Impfung durchführen, eine Notfallausrüstung zur Verfügung stehen, um eine Anaphylaxie behandeln zu können.
Vorsicht bei Vorereignissen
Wer schon einmal eine Anaphylaxie gegen eine Impfung erlitten hat oder wenn eine gesicherte Allergie gegen verschiedene Medikamente vorliegt oder eine Mastozytose (Mastzellerkrankung) besteht, muss dies vor der Impfung mit dem Arzt besprochen werden. Horak: „Auch dann kann zumeist geimpft werden. Allerdings wird eine längere Nachbeobachtung empfohlen. Betroffene Personen sollten 15 bis 30 Minuten zur Nachbeobachtung in der Impf-Ordination bleiben. Eventuell wird auch schon eine Vorbehandlung mit Antihistaminika eingeplant werden.“
Bei einer schweren Anaphylaxie auf die erste mRNA-Impfung oder einer bekannten Allergie auf einen der Inhaltsstoffe, insbesondere PEG (Polyethylenglykol) oder Polysorbat, das sich auch in manchen Abführmitteln und Medikamenten findet, sollte nicht mit dem die Allergie auslösenden Impfstoff geimpft werden und gegebenenfalls eine allergologische Abklärung erfolgen.
Pollenallergie: Soll mit Desensibilisierung zugewartet werden?
Horak: „Prinzipiell muss keine spezifische Immuntherapie (Desensibilisierung) aufgrund der COVID-19-Impfung abgebrochen werden. Bei einer laufenden subkutanen spezifischen Immuntherapie soll zwischen Immuntherapie und COVID-19-Impfung ein Abstand von zumindest einer Woche eingehalten werden, um mögliche Reaktionen der einen oder anderen Therapie zuordnen zu können. Eine sublinguale Immuntherapie kann ohne Unterbrechung weitergeführt werden.“
Biologika-Therapie bei schwerem Asthma und COVID-19-Impfung
Muss eine Therapie mit Biologika bei schwerem Asthma für eine COVID-Impfung unterbrochen werden? Auch hier gibt Horak Entwarnung: „Nein, die Therapie soll weitergeführt werden. Es gibt keinen Hinweis auf eine negative Beeinflussung oder Erhöhung des Impf-Risikos durch den Einsatz von Biologika. Auch hier wird aus pragmatischen Gründen ein Impfabstand von einer Woche empfohlen.“
Quelle: Österreichische Gesellschaft für Pneumologie