Thunderstorm-Asthma: Gewitter kann Asthmaanfall auslösen

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Bei einem Gewitter kommt vieles zusammen: Ein plötzlicher Temperaturabfall, hohe Luftfeuchtigkeit, ein sprunghafter Anstieg der Pollenkonzentration sowie die Ozonbelastung. Die Folgen für sensibilisierte Asthma-Patient:innen können mitunter schwer sein. Das Wissen um und die Vermeidung von Risikofaktoren sowie die Einhaltung der Allergie- und Asthmabehandlung sind für die Prävention von gewitterbedingtem Asthma daher entscheidend. Univ.-Doz. Dr. Felix Wantke, Facharzt für Lungenheilkunde und ärztlicher Leiter des Floridsdorfer Allergiezentrums (FAZ) erklärte die Hintergründe und Therapiemöglichkeiten bei einer Pressekonferenz.

Asthma bronchiale ist eine der häufigsten chronischen Atemwegserkrankungen. In Österreich sind mindestens fünf Prozent der Erwachsenen von dieser mitunter schweren Erkrankung betroffen. B ei Kindern ist die Häufigkeit fast doppelt so hoch – bereits etwa jedes zehnte Kind ist asthmakrank.1

Atemwegsallergien, etwa jene gegen Baum- oder Gräserpollen, sind der häufigste Grund für das Entstehen von allergischem Asthma. Anfangs treten Beschwerden wie anfallsartiger trockener Husten, pfeifende Atmung, Atemnot und ein Engegefühl in der Brust nur dann auf, wenn der Körper mit den Allergie-Auslösern in Kontakt kommt: Die Atemwege entzünden sich, die Schleimhäute schwellen an, es bildet sich zäher Schleim und die Bronchialmuskulatur verkrampft. Mit der Zeit werden die Atemwege durch die häufige Entzündung so empfindlich, dass sie auch auf Reize wie Tabakrauch, Kälte, Staub, körperliche Anstrengung, Stress oder bestimmte Umwelteinflüsse reagieren. Man spricht dann von bronchialer Hyperreagibilität.

Gewittergefahr

Derart sensibilisierte Asthmatiker:innen sind bei einem Gewitter einem ganzen Cocktail an Risikofaktoren ausgesetzt: Temperaturabfall, hoher Luftfeuchtigkeit, einem sprunghaften Anstieg der Pollenkonzentration und einer drastischen Erhöhung der Ozonbelastung. Die erhöhte Pollenkonzentration entsteht, weil Allergene durch einen sogenannten osmotischen Schock in Verbindung mit Feuchtigkeit und Regenfällen zerbrochen werden. Durch das Aufplatzen sind die Partikel deutlich mehr und auch kleiner als die eigentlichen Pollen. So können sie auch tiefer in die Atemwege eindringen.2

Das Reizgas Ozon kann aufgrund seiner geringen Wasserlöslichkeit tief in die Lungen eindringen und führt dort zur Bildung von aggressiven Sauerstoffradikalen, die das Atemwegsepithel (Schleimhaut) zerstören. Damit wird diese schützende Schicht für Allergene und andere Luftschadstoffe durchlässiger. Die Folgen: verstärkte Symptome, Patient:innen brauchen mehr und stärkere Medikamente, haben eine schlechtere Lungenfunktion, mehr Exazerbationen (plötzliche Verschlechterung der Erkrankung) und reagieren stärker auf die Allergene.

Noch ist das sogenannte „Gewitter-Asthma“ (Thunderstorm-Asthma) selten. Aufgrund des Klimawandels werden zukünftige Ereignisse wahrscheinlich häufiger und unvorhersehbarer.3 Das bisher massivste Thunderstorm Asthma ereignete sich 2016 in Australien. Nach einem heftigen Sturm in Melbourne mussten innerhalb von 30 Stunden 8.500 Menschen in den Notfallambulanzen versorgt werden, zehn von ihnen verstarben nach einem Asthmaanfall.4

Auch Nicht-Asthmatiker:innen betroffen

Interessant und erschreckend zugleich: Vier von zehn der australischen Patient:innen mit einem Asthmaanfall hatten bis zu diesem Zeitpunkt noch nie Asthmabeschwerden. Andere Untersuchungen von Patient:innen mit Gewitterasthma bestätigen das: Von 85 untersuchten erwachsenen Patient:innen aus Melbourne hatte die Mehrheit (60 Prozent) keine vorherige Asthma-Diagnose. Allerdings: Eine Pollenallergie war bei 99 Prozent der Betroffenen vorhanden!5 Pollenallergiker:innen sollten daher vor allem im Sommer die Gewitterprognose im Blick haben. Die Aufklärung über die Bedeutung der Erkennung von Asthmasymptomen, die Einhaltung der Asthmabehandlung und die Kontrolle der saisonalen allergischen Rhinitis, dem sogenannten Heuschnupfen, ist für die Vorbeugung von gewitterbedingtem Asthma von entscheidender Bedeutung. Eine Allergen-Immuntherapie kann das Risiko ebenfalls mindern.2

Frühzeitige Allergiebehandlung kann Asthma verhindern

Es ist daher wichtig, eine Pollenallergie frühzeitig zu erkennen und behandeln, denn allergisches Asthma lässt sich verhindern. Die Diagnose von Allergien basiert auf drei Säulen: einem ausführlichen Gespräch zwischen Patient:in und Ärzt*in sowie einem Haut- und einem Bluttest. Beim Hauttest, dem sogenannten Skin-Prick-Test, werden geringe Mengen eines standardisierten Allergenextraktes auf die Haut getropft und in die oberste Hautschicht geritzt. Eine allergische Reaktion äußert sich durch eine juckende Quaddel, ähnlich einem Gelsenstich. Mit einem Bluttest werden sogenannte spezifische IgE-Antikörper im Blut nachgewiesen.

Die Therapie besteht aus Allergenvermeidung, symptomatischer Therapie und der erwähnten Allergen-spezifischen Immuntherapie. Wichtige Unterstützung bei der Allergenkarenz bietet der Österreichische Pollenwarndienst. Die Forschungseinrichtung an der Wiener HNO-Klinik informiert über die häufigsten Allergie-auslösenden Pflanzen, deren aktuellen Pollenflug und erstellt Prognosen, die Alltag und Freizeitaktivitäten gut planbar machen. Neu ist, dass über die „Pollen-App“ nun auch die Ozonbelastung bzw. Gewitterwarnung und das „Asthmawetter“ abgerufen werden können.

Spezifische Immuntherapie bremst Asthma aus

Antiallergische Medikamente wie Antihistaminika und Kortison-Sprays lindern die Symptome gut und rasch. Die Allergen-spezifische Immuntherapie (SIT, Allergie-Impfung) greift als einzige Therapie unmittelbar in den Krankheitsprozess ein und nimmt damit nicht nur die Symptome, sondern vor allem auch die Ursache der Allergie ins Visier. Dazu hat sie das Potenzial, die Entstehung von Asthma zu verhindern. Dabei wird das krankmachende Allergen über einen Zeitraum von etwa drei Jahren in Form von Spritzen, Tropfen oder Tabletten zugeführt. Die Dosis wird langsam gesteigert, wodurch ein Gewöhnungseffekt entsteht. Das Immunsystem lernt, die Allergieauslöser wieder zu tolerieren.

Asthmatherapie: Entzündung lindern und Verkrampfung lösen

Eine bestehende Asthmaerkrankung kann zwar nicht mehr rückgängig gemacht, aber gut kontrolliert werden, sodass ein Leben ohne Einschränkung möglich ist. Dafür stehen eine Reihe nicht-medikamentöser (Atemtraining, Bewegung, Raucherentwöhnung etc.) und medikamentöser Therapien zur Verfügung. Bei den Medikamenten kommen sowohl sogenannte Controller als auch Reliver zum Einsatz: Controller sind Medikamente, die die chronische Entzündungsreaktion der Bronchien unterbinden (v.a. inhalatives Kortison), während Reliever den Krampf der Bronchien lösen und die Bronchien erweitern. Wichtig ist, dass immer beide Medikamente gleichzeitig eingenommen werden, um das Asthma optimal zu kontrollieren.

Quelle: Univ.- Doz. Dr. Felix Wantke, Facharzt für Lungenheilkunde, ärztlicher Leiter des Floridsdorfer Allergiezentrums (FAZ), Pressekonferenz „Pollensaison 2023: heftiger Frühstart mit verträglicher Fortsetzung“, 21.3.2023, Wien

1Studinitzka M et al. (1997) Traffic-related NO2 and the prevalence of asthma and respiratory symptoms in seven year olds.. Eur Respir J. 1997 Oct;10(10):2275-8
2Harun NS et al. Thunderstorm-triggered asthma: what we know so far. J Asthma Allergy . 2019 May 6;12:101-108.
3Price D. et al. Epidemic Thunderstorm Asthma: Lessons Learned from the Storm Down-Under. J Allergy Clin Immunol Pract. 2021 Apr;9(4):1510-1515.
4Thien F et al., The Melbourne epidemic thunderstorm asthma event 2016: an investigation of environmental triggers, effect on health services, and patient risk factors. Lancet Planet Health 2018;2: e255–635Lee J. Who’s at risk of thunderstorm asthma? The ryegrass pollen trifecta and lessons learnt from the Melbourne thunderstorm epidemic. Respir Med. 2017 Nov;132:146-148.

Neu in der Pollen-App: „Asthmawetter & Gewitterwarnung“

Basierend auf dem Wissen, dass Gewitter asthmatische Beschwerden auslösen und drastisch verschlimmern können, wurde die Pollen-App des Österreichischen Pollenwarndienstes anlässlich dessen zehnjährigen Jubiläums weiterentwickelt und um neue Services ergänzt. „Beim ‚Asthmawetter‘, das in Kooperation mit www.menschenswetter.at entwickelt wurde, bekommen die Nutzer:innen in fünf Abstufungen Auskunft, ob die Wetterlage des Tages zu vermehrten oder verminderten Asthmasymptomen führen kann“, erklärt Markus Berger, ärztlicher Mitarbeiter des Österreichischen Pollenwarndienstes. „Die ‚Gewitterwarnung‘ zeigt an, wann im Umkreis Unwetter zu erwarten sind und ob die Ozonwerte steigen werden. Dazu gibt es die Empfehlung, im Innenraum zu bleiben und rechtzeitig Medikamente zu besorgen.“
Die App steht für iOS und Android zum kostenlosen Download auf pollenwarndienst.at sowie den App-Stores zur Verfügung und funktioniert auch über die österreichischen Landesgrenzen hinaus.

Quelle: Pressekonferenz, April 2023

Hinweis: „Pollenwarndienst.at wurde zu polleninformation.at“