Der Krebs und die Psyche

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Krebs und Psyche

Menschen, die mit der Diagnose „Krebs“ konfrontiert sind, können einen Zustand innerer Bestürzung erleben, der von innerer Einsamkeit und Hilflosigkeit geprägt ist.

Man kann es noch nicht realisieren, so viele Gedanken gehen einem nach der Diagnosemitteilung durch den Kopf, Hoffnungslosigkeit macht sich breit. ”Warum gerade ich?”, ”Was soll oder kann ich jetzt tun?” „Kann ich überhaupt etwas tun?“ Das Wort ”Krebs” allein schon kann bei vielen Betroffenen ein Gefühl der Bedrohung auslösen.

Die Psyche spielt gerade für den Verlauf einer Krebserkrankung eine sehr wichtige Rolle. Psychoonkologie ist der Zweig der Psychologie, der sich mit allen seelischen Faktoren, die mit einer Krebserkrankung zusammenhängen können, beschäftigt. Ziel dieser Disziplin ist es, für jeden Betroffenen den richtigen Weg zu finden, wie er mit der Trauer, der inneren Zerrissenheit, Verzweiflung, Wut oder Resignation und der Angst vor dem Tod, aber auch den Sorgen der Angehörigen umgehen kann.

Psychische Begleitreaktionen bei Krebserkrankungen

  • Anpassungsstörungen
  • Depressionen
  • Angst- und Panikstörungen

Die Diagnose ”Krebs” kann eine Vielzahl psychischer Probleme nach sich ziehen. Bei vielen Betroffenen vergeht eine längere Zeitspanne, bis sie den Schritt wagen, sich an ihre Ärztin oder ihren Arzt zu wenden. Sie nehmen erste Symptome an sich wahr und verdrängen sie zunächst eine Zeit lang. In dieser ersten Phase der Krebserkrankung überwiegen Unsicherheitsgefühle, Ängste, Vermutungen, Zweifel, Gereiztheit und Versuche, die Symptome zu bagatellisieren,.

Wird dann doch Klärung der Symptome gesucht und ein Arzt konsultiert, rückt die Angst vor einer endgültigen Diagnose näher. Die Zeitspanne zwischen den Untersuchungen und Befunden, bzw. Diagnosemitteilung wird von den Patienten auch im Nachhinein oft als die am spannungsreichste Phase im Verlauf der Erkrankung beschrieben. Steht dann die Diagnose ”Krebs” fest, beginnt die zweite Phase im Verlauf der Krebserkrankung. Das Wort ”Krebs” löst massive Ängste aus, ein Gefühlschaos im Inneren des Betroffenen entsteht, die Gefühlspalette reicht von Todesangst, Verzweiflung, Sinnlosigkeit, bis hin zu Mutlosigkeit, Resignation. Die Zeit ist plötzlich ein wichtiger, fast bedrohlicher Faktor des Lebens geworden.

Phasen der Krebserkrankungen, in denen es zu seelischen Krisen kommen kann:

  • Symptomwahrnehmung
  • Zeitdauer zwischen Untersuchungen und endgültiger Diagnosestellung
  • Wahrnehmen körperlicher Veränderungen
  • Beginn medizinischer Behandlungen
  • Beendigung der Behandlung mit weiterem Bangen vor den neuen Befunden
  • Folgende Kontrolluntersuchungen

Ziele psychoonkologischer Interventionen bei der Bewältigung der Krebserkrankung
Ziel aller psychoonkologischen Hilfestellungen ist, die Krankheit nicht zu verleugnen und nicht in Erstarrung zu fallen. Ebenso gilt es, den emotionalen und äußeren Begleitumständen der Krebserkrankung offen gegenübertreten zu können. Bei vielem, was Betroffene nun tun, stellen sie sich die Frage nach dem Warum. Selbstzweifel, Hilflosigkeit, Aggression wechseln sich ab. Vielfach teilen sich Betroffene mit ihren Sorgen auch niemandem in ihrem Umfeld mit – sie wollen niemand anderen beunruhigen oder schämen sich, weil sie meinen, sie würden überreagieren.

So versuchen die meisten, die Tatsache, an Krebs erkrankt zu sein, auf ihre eigene Art und Weise zu bewältigen. Zumeist auf die Art, die ihnen vertraut ist. Die aber mitunter nicht immer die beste Bewältigungsart darstellt im Sinne einer guten Lebensqualität. Manche resignieren, andere ziehen sich noch mehr innerlich zurück. Manche versuchen viele Informationen einzuholen, alle möglichen begleitenden Therapien auszuprobieren und können auch damit ziemlich in Stress kommen.

Bewältigungsversuche
Fatalismus: „Ich kann eh nichts daran ändern.“
Resignation: „Jetzt hat alles keinen Sinn mehr“
Schuldgefühle: „Ich habe es selber verschuldet“
Herunterspielen: „Es ist alles halb so schlimm“.
Soziale Isolation: “Ich muss allein damit klarkommen“
Emotionale Entlastung: „Ich bin traurig und das Weinen bringt etwas Entlastung“
Positiver Sinn: „Durch die Krankheit habe ich neue Aspekte in meinem Leben entdeckt“
Problemanalyse: „Ich versuche, Informationen einzuholen, um zu verstehen, was da überhaupt geschieht“

Mögliche auftretende Gefühle:

  • Verwirrtheit
  • Verzweiflung
  • Hoffnung
  • Angst vor Schmerzen
  • Wut
  • Trauer
  • Gefühl des Verrücktwerdens
  • Angst vor Nebenwirkungen
  • Gefühl der Bedrohung des Lebens

Wie kann Psychoonkologie jetzt Menschen bei der Verarbeitung der Diagnose ”Krebs” und dem weiteren Umgang mit der Erkrankung helfen?

Ist man mit so vielen unterschiedlichen Emotionen konfrontiert, fällt es schwer, rationale Entscheidungen zu treffen. Gleichzeitig ist es eine Zeit der Entscheidungen – stimme ich der vorgeschlagenen Behandlung zu, welche Hilfe hole ich mir zusätzlich,…? In der Therapie oder psychologischen Begleitung geht es darum, psychische Faktoren, die das Krankheitsbild verschlechtern oder mitbedingen, die verhindern, dass Betroffene Entscheidungen treffen können, herauszufiltern und daran etwas zu verändern. Ziel ist immer Wiederherstellung einer innerseelischen Balance und das Erreichen des Gefühls von „innerem Dabeisein“ bei allen Behandlungen.

Das kann gewährleistet werden, wenn ich mir als Betroffener klar bin, woher meine starke Unsicherheit kommt, welche Ängste dahinter stehen, warum das Gefühl von Ausgeliefertsein oder Unzufriedenheit so groß ist. In jedem Fall ist Klärung der Gedanken und Gefühle immer besser als ihnen völlig ausgeliefert zu sein. Wenn ich nicht weiß, warum ich mich in einer Situation so fühle oder so verhalte, macht das unsicher und erzeugt noch mehr Angst. Klärung gibt Sicherheit und ein gewisses Maß an Kontrolle. Der Mensch besitzt die Fähigkeit, sich auch an sehr schwierige Situationen anzupassen, vorausgesetzt, er setzt sich damit auseinander. Sonst besteht die Gefahr, daran zu zerbrechen.

Das Ansprechen und Zulassen aller auftretenden Emotionen in der Therapiesituation wirkt befreiend, stabilisierend, entlastend.

Entspannungs- und Visualisierungstechniken
Ein wichtiger Faktor in der Psychotherapie bei Krebserkrankten sind Entspannungs- und Visualisierungstechniken. Durch diese Verfahren wird der Angst und Verzweiflung entgegengewirkt, dadurch gewinnen Betroffene wieder an ”psychischer Substanz”.

Die Nebenwirkungen von Behandlungen werden weniger schwer empfunden, wenn Patienten versuchen, aktiv gegen ihre Krankheit anzukämpfen und das Gefühl beizubehalten, auch „Mitwirkender“ an ihrer Behandlung zu sein, nicht nur „Beobachter“.

Luebbert, Dahme und Hasenbring (2001) untersuchten in einer Meta-Analyse von 15 Studien die Wirkung von Entspannungstrainings auf emotionale Anpassung (Angst, Depression,.. ) und behandlungsbezogene Symptome (Übelkeit, Schmerz, Blutdruck, Puls). Signifikante positive Effekte zeigten sich für die behandlungsbezogenen Symptome, sowie für Depression und Angst. Fawzy (1999) berichtet, dass verhaltensmedizinische Ansätze wie Entspannungstrainings zu den wirksamsten psychosozialen Interventionen für Krebspatienten gehören.

Patienten, die durch die Erkrankung das Gefühl haben, keinerlei Kontrolle mehr über sich und ihr Leben zu haben, haben keine Kraft mehr, zu kämpfen, sie verlieren den Boden unter den Füßen.

Ist man mit der Diagnose einer Krebserkrankung konfrontiert, ist es schwer vorstellbar, sich noch als stark zu erleben – Die Diagnose ”Krebs” führt zu einer Schwächung des Selbstbildes. In der Psychotherapie werden für den Patienten momentan nicht erkennbare eigene Stärken erarbeitet, bzw. wiederentdeckt mit dem Ziel einer Stabilisierung. Wichtig für eine „gute“ Behandlung im Sinne wenig auftretender psychischer Symptome, Stimmungsschwankungen und wenig Einbuße der eigenen Lebensqualität ist das Fördern der „gesunden Anteile“ eines Menschen. Diese gesunden Anteile sind persönliche Stärken, mentale Ressourcen, etc.

Wie gehe ich mit dem starken Leidensdruck um?

Gerade Lungen-Ca-Patienten haben im Vergleich zu Menschen mit anderen Tumorarten stärkeren Leidensdruck. Dieser Leidensdruck erwächst einerseits aus mangelnder Zuversicht, andererseits aber bei vielen Betroffenen aus einem Gefühl der eigenen Schuldhaftigkeit. Gerade starke Raucher schämen sich für ihre Erkrankung, da sie meinen, sie hätten sie verhindern können und nur durch ihre Willenlosigkeit seien sie krank geworden.

Werden Menschen konfrontiert mit negativen Erfahrungen, so suchen sie nach Erklärungen, nach so genannten Kausalattributionen. Attributionsprozesse drehen sich um Warum-Fragen. „Was ist die Ursache für meine Erkrankung.“ Sofern wir eine Erklärung für etwas Belastendes haben, wird das Ereignis bis zu einem gewissen Grad „kontrollierbar“ und somit leichter erträglich. Im Falle von Lungenkrebs ist diese Ursachenzuschreibung für die meisten Betroffenen sehr ambivalent, da viele als Ursache ihrer Erkrankung ihr eigenes „Fehlverhalten“ angeben. Aufgrund dieser Zuschreibung fällt es vielen schwer, psychische Hilfe zu erbeten, da Scham und erlebte Schuldhaftigkeit zu vermehrtem Verschweigen und somit zu mehr Isolation führen. Das aber führt wieder zu stärkerem Leidensdruck.

Problematische frühere Handlungs- und Erlebensmuster, die den Umgang mit Erkrankung schwerer machen oder krankheitsanfälliger machen lassen erschweren eine adäquate Krankheitsverarbeitung. Die Bewältigung der Krankheit ist immer Bewältigung der individuellen Lebensproblematik. D.h. im Bewältigen einer Erkrankung spiegeln sich immer erlernte Bewältigungsstrategien von Menschen wieder: jemand, der bei allen Lebensproblemen oder – entscheidungen hilflos war, wird dies vermutlich auch in der Begegnung mit einer schweren Erkrankung sein. Und ein Mensch, der sich immer schwer getan hat, sich anderen mitzuteilen, wird dies auch im Falle einer Krebserkrankung fortführen.

Empfohlene psychoonkologische Behandlungen sollten einerseits einsichtsorientiert (kognitiver Ansatz, Klärung von Gedanken und Gefühlen auf der sprachlichen Ebene) sein, andererseits erlebens-orientiert (Imaginationen, Entspannungstraining, musikpsychologische Elemente,… ).

Schematherapie und Sinnfindung

Bei der Betreuung von Lungen-Karzinom-Patienten geht es im Rahmen der psychologisch-psychotherapeutischen Versorgung in erster Linie um die Beibehaltung von Lebensqualität und Klärung von Sinnfindungs-Fragen seitens der Betroffenen.
Nach einer Studie (Zabora, 2001) über die Prävalenz psychischer Beeinträchtigungen bei neu diagnostizierten Tumorpatienten haben 35,1% der Patienten einen erhöhten Leidensdruck und klagen über Ängste und Depressionen. Dieser Leidensdruck ist nach der Studie bei Patienten mit Lungen-Ca am höchsten (43,4%).

Ein Grund für diesen starken Leidensdruck ist besonders die fehlende Zuversicht bei dieser Patientengruppe. Zuversicht gilt generell aber als Voraussetzung für die Annahme psychosozialer Interventionen. Daher stellt sich die psychotherapeutische Betreuung von Lungenkrebspatienten oft als sehr schwierig dar.

Damit psychosoziale Interventionen überhaupt greifen können, sind im Rahmen der Erstanamnese besonders die emotionalen Zustände der Patienten zu erfassen. Ebenso relevante Themenbereiche der Patienten – um welche Themen ist es in bisherigem Leben gegangen? Welche dieser Themen wirken jetzt noch erschwerend für die subjektive Lebensqualität? Nur durch eine genaue Anamnese lässt sich ein Verständnis der individuellen Mechanismen von Menschen, mit Emotionen sowie mit Krankheit umzugehen erzielen.

Ein neuer Ansatz im Rahmen psychotherapeutischer Interventionen ist die von Jeffrey Young und Kollegen entwickelte Schematherapie – eine integrative Therapie, die Konzepte der kognitiven Therapie um weitere Elemente erweitert.

Sie bietet einen umfassenden Erklärungsansatz für das Handeln und Fühlen von Menschen, sowohl gesunder als auch kranker Menschen. Mit Hilfe dieser neuen Therapieform werden problematische Erlebnismuster, die den Umgang mit Erkrankung schwerer machen oder Menschen krankheitsanfälliger machen lassen erfasst. Schemata stellen längerfristige chronifizierte Muster dar, die symptomatisch für das psychische Geschehen sind. Beim onkologischen Patienten geht es in der Psychotherapie in erster Linie um Bewältigung der Krankheit, was immer auch zugleich die Bewältigung seiner individuellen Lebens-problematik bedeutet.

Schematherapie ist sowohl einsichtsorientiert als auch erlebensorientiert. Der Begriff Schema meint ein organisierendes Prinzip, das Menschen hilft zu verstehen, was in ihrem Leben geschieht. Es ist eine Art abstrakter kognitiver Plan, der als Leitfaden bei der Deutung von Informationen und bei der Lösung von Problemen dient. Schemata entstehen früh in der Entwicklungsgeschichte eines Menschen, sie werden in der Folge weiter entwickelt und dann auf spätere Erlebnisse angewendet.

Jeder Mensch hat von Anfang seiner Entwicklung an zentrale emotionale Kernbedürfnisse, die entweder zufrieden stellend gestillt werden oder nicht. Zu diesen Bedürfnissen zählen: Bedürfnis nach Bindung und Zuwendung, Stabilität, Sicherheit, Akzeptiertwerden, Autonomie, Kompetenz und Identitätsgefühl, Freiheit, berechtigte Bedürfnisse und Emotionen auszudrücken etc.

Macht ein Mensch z.B. von Anfang seines Lebens an die Erfahrung, dass man niemandem trauen kann, dass die Erwartung, von einer Bezugsperson Nähe, Schutz und emotionale Zuwendung zu bekommen, nicht erfüllt wird, so entwickelt dieser Mensch das so genannte „Schema der Emotionalen Entbehrung“ oder der „Instabilität“, etc. Dieses Schema führt zu bestimmten Verhaltens- und Erlebensweisen, die dieses Muster gleichzeitig immer wieder aufrechterhalten. So wenden sich Menschen mit solchen Schemata im Vergleich zu anderen Menschen weniger oft an andere in ihrem Umfeld um Unterstützung, da sie misstrauisch geworden sind. Diese Muster werden aber im Falle einer Erkrankung auch angewendet, sie erschweren oft eine positive Beeinflussung der psychischen Befindlichkeit eines Betroffenen.

Unsere einmal erlernten Erfahrens- und Erlebensmuster führen dazu, dass Menschen in immer der gleichen Art und Weise denken, fühlen und handeln. In dieser Art und Weise des Denkens wird auch mit der Erkrankung umgegangen, was oftmals eine positive Beeinflussung der Lebenssituation erschwert.

Das Erlebensmuster „Verlassenheit/Instabilität“ z.B. beinhaltet das Gefühl, dass wichtige Bezugspersonen nicht in der Lage sind, verlässlich emotionale Unterstützung, Verbundenheit, Stärke od. praktischen Schutz zu gewähren, weil sie emotional instabil, unberechenbar, unzuverlässig oder nur sporadisch anwesend sind“ (Young, 2005).

Einmal entstandene Schemata werden immer wieder durch Ereignisse aktiviert, die (unbewusst) ähnlich empfunden werden wie die früher gemachten Erlebnisse/Erfahrungen.

Wichtig Ziele im therapeutischen Handeln sind somit eine Schemata-Identifikation und ein Bewusstwerden der damit verbundenen Implikationen für den Betroffenen. Verstehen Betroffene die Ursprünge ihrer Schemata, können sie ihre Muster und Bewältigungsstile durch solche ersetzen, die ihnen die Erfüllung ihrer zentralen emotionalen Bedürfnisse ermöglichen.

Eine Schemaheilung kann stattfinden, indem Betroffene ihre Schemata verstehen, benennen und erkennen. das sind Voraussetzungen dafür, schemaerhaltende Aktivitäten aufzugeben und heilende Bedingungen zu suchen. Ziel dabei ist es, das innere Wachstum der Betroffenen zu fördern. Die therapeutische Beziehung dient dabei als „korrigierendes emotionales Erlebnis“.

Die Diagnose Krebs ist für die Betroffenen und ihr Umfeld in der Regel aufwühlend und beängstigend (Zabora et al., 2001). Wie in zahlreichen Selbstberichten geschildert wird, können vor allem bei längerer Krankheit praktisch alle Lebensbereiche von der Krankheit beeinflusst werden: Der Kontakt mit anderen Menschen, das Aussehen, die Arbeit, das Familienleben oder Zukunftspläne, um nur einige Beispiele zu nennen. Umso wichtiger ist es daher, sich wieder auf die inneren Kräfte zu besinnen und alles, was zusätzlich zu der Erkrankung belastend auf einen einwirkt, loslassen zu können.

„Es ist unglaublich, wieviel Kraft die Seele dem Körper zu leihen vermag“ (Wilhelm von Humboldt, 1767-1835)

Selbsthilfegruppen und Gesprächsgruppen

Weis (2003) beschreibt, dass strukturierte Gruppeninterventionen bei Krebspatienten das psychologische Wohlbefinden, Coping, die geistige Anpassung und die Lebensqualität bei Krebspatienten steigern und Depression sowie Angst senken können. Bultz (2000) konnte zusätzlich positive Effekte auf die Befindlichkeit bei Krebspatienten nachweisen, wenn deren Angehörige an einer Gruppenintervention teilgenommen hatten.

In der Gruppe können zahlreiche Themen, die die Lebensqualität beeinflussen, besprochen werden. Themen, die von Betroffenen öfters genannt werden sind: körperliche Bedürfnisse (Umgang mit Symptomen, Sexualität und spirituelle Bedürfnisse, Bedürfnis nach emotionaler Unterstützung etc.) In einer Untersuchung von Wright et al. (2001) sollten Patienten beurteilen, welche Themen ihnen am meisten Sorgen bereiten. Die am häufigsten genannten Befürchtungen waren: der Umgang mit der innerlichen Bestürzung (59%) und das Zurechtkommen / sich Abfinden mit der Krankheit (56%).

Auch in der Befragung von McIllumurray et al. (2001) waren die von den Patienten genannten Bedürfnisse im emotionalen Bereich: Hilfe im Umgang mit Ängsten (52%), mit Traurigkeit (41%) und Einsamkeit (33%) Das meistgenannte Bedürfnis im Bereich der emotionalen/spirituellen Bedürfnisse in der Studie von McIllumurray et al. (2001) ist Hoffnung(70%)

In der psychoonkologischen Arbeit geht es immer darum, sinngebende Aspekte in einer von Einbußen und Einschränkungen wahrgenommenen Zeitphase mit dem Patienten gemeinsam aufzufinden. Die Art und Weise, wie Menschen ihre Erkrankung in ihren Lebenszusammenhang einbeziehen, wobei Schemata eine ebenso große Rolle spielen wie spirituelle Aspekte, geben Ansatzpunkte für die Art der psychologischen Hilfestellung.

Niemand sollte in dieser Zeitphase mit seinen Ängsten, Befürchtungen und seelischen Verletzungen alleine sein.

Empfohlene psychoonkologische Maßnahmen

  • Geführte Meditationen und Visualisierungen
  • Stärken der inneren Selbstheilungskräfte nach der Simonton-Methode
  • Muskuläre Verspannungen lösen durch Massagetechniken in Verbindung mit Klangtherapie
  • Entspannungstraining unter Zuhilfenahme musikmedizinischer Interventionen wie z.B. Klangtherapie
  • Psychotherapie
  • Muskelentspannung nach Jacobson
  • Autogenes Training

SIMONTON-Methode

Eine gute Methode der Unterstützung der medizinischen Behandlung als Selbsthilfe zur Förderung der gesunden Anteile ist von Simonton, einem amerikanischen Onkologen entwickelt worden. In dieser Methode geht es darum, seine Selbstheilungskräfte zu aktivieren, indem man für sein seelisch-körperliches Gleichgewicht sorgt.

Die Simonton-Methode basiert im Wesentlichen auf drei Bausteinen:

  1. Visualisierung des Gesunden, gut Funktionierenden im Körper und wie das Gesunde das Kranke besiegt. Auch die Wirkung von Medikamenten und Behandlungen oder guter Ernährung kann bei dieser Art von Visualisierung mit eingebaut werden.
  2. Stärken der eigenen Ressourcen bedeutet, sich auf seine Quellen von Lebensfreude zu besinnen, was hat früher Kraft gegeben, was macht einen selber stolz, stark, selbstsicher?
  3. Belastendes erkennen und wenn möglich lösen – Jede Behandlung, jede Erkrankung kostet Kraft und Energie. Alles, was zusätzlich an unseren Lebenskräften zehrt, was uns belastet, kränkt etc, raubt auch Kraft, die für die Behandlung benötigt wird.

Es gibt also unterschiedliche Bereiche, auf die psychologisch eingewirkt werden kann. Es kann einerseits der Krankheitsverlauf begleitet werden, andererseits haben auch der Schmerz und das individuelle Schmerzerleben eine gewichtige psychologische Komponente, d.h. Schmerz kann mithilfe von bestimmten Entspannungsübungen entgegengewirkt werden.

Psychosoziale Interventionen haben Auswirkungen auf den Umgang mit der Erkrankung und auf die Lebensqualität der Betroffenen.

Lebensqualität
Der Ausdruck Lebensqualität steht für positive Befindlichkeit in Zusammenhang mit Verringerung körperlicher Beschwerden, bzw. Einschränkungen, steht für die Fähigkeit der Menschen, ihre sozialen Rollen beizubehalten und selbständig Alltagsvorrichtungen zu erledigen ohne Beeinträchtigung durch schwerwiegende psychische Probleme sowie für allgemeine körperliche und geistige Leistungsfähigkeit.

Menschen mit schweren Erkrankungen haben die größte Angst vor Verlust der Selbständigkeit und Unabhängigkeit; eigenes Verrichten können alltäglicher Handlungen bedeutet Selbstverantwortung und Selbstkontrolle, eine Reduzierung dieses Vermögens wird als massive Bedrohung des Selbstwerts erlebt. Depressive Krisen sind die Folge. Haben Patienten die innere Überzeugung, der durch Krankheit entstandenen psychischen Beanspruchung völlig ausgeliefert zu sein, erleben sie stärkeren Stress, was zu geringerer seelischer Stabilität und zuletzt auch zu Verschlechterung des Zustandsbildes führt. Das Erleben von zumindest einem gewissen Maß an Kontrolle ist unabdingbar für das Verhindern von Depressionen in der Krankheitsfolge.

Gezielte psychotherapeutische Unterstützung trägt dazu bei, starke Selbstwerteinbrüche, schwere Depressionen und Sinnkrisen abzufangen.

Die Beibehaltung von innerseelischem Gleichgewicht und Lebensqualität, die wesentlich durch subjektive positive Befindlichkeit und Aufrechterhaltung eines positiven Selbstbildes gekennzeichnet ist, ist Ziel therapeutischen Handelns.

Doch was geschieht nun wirklich in einer Therapie? Wodurch gelingt es, Menschen in solchen Krisensituationen wie der Bewältigung einer schweren Krankheit nicht verzweifeln zu lassen, ihnen das Leben wieder oder trotzdem lebenswert erscheinen zu lassen? Psychotherapie ist nicht – oder besser gesagt – nicht nur, (wie vielfach angenommen,) Beruhigen, Trösten, Ermuntern, sondern auch: Anleitung zu Reflexion, also zum Hinterfragen eigener Gedanken und Gefühle, die die Krankheit in einem auslösen sowie zum Erarbeiten neuer Denk- und Verhaltensweisen. Selbstwertkrisen erleben Menschen dann, wenn sie das Gefühl und die innere Überzeugung haben, jeglicher Lebensperspektive beraubt zu sein nach dem Motto: „Was bin ich jetzt – durch die Krankheit nicht mehr so leistungsfähig – noch wert?“

Das Erlernen von neuen Bewältigungsstrategien muss fixer Bestandteil der Psychotherapie sein. Welche Situationen, Werte, Erlebnisse, Vorstellungen waren früher stützend, welche geben jetzt noch Halt, welche sind noch verfügbar?

Psychoonkologie hilft sinngebende Aspekte in einer von Einbußen wahrgenommenen Zeit mit dem Patienten gemeinsam aufzufinden. Die bisherige Lebensplanung muss meist aufgegeben werden und führt zu einer Verletzung des Selbst.

Die Art und Weise, wie Menschen ihre Erkrankung in ihren Lebenszusammenhang einbeziehen, wobei eigene Denk- und Erlebensmuster eine ebenso große Rolle spielen wie spirituelle Aspekte, gibt Ansatzpunkte für die therapeutische Arbeit.