Urtikaria: Erkrankung und Ursachen

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Urtikaria

Urtikaria ist eine häufige Erkrankung. Eine Urtikaria kann in jedem Lebensalter, vom Säugling bis ins hohe Alter auftreten. 25% aller Menschen sind einmal in Ihrem Leben von einer Urtikaria betroffen. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um eine Akute Urtikaria. Nach vorsichtigen Schätzungen leiden derzeit 1,0 % der europäischen Bevölkerung an einer chronisch verlaufenden Urtikaria. Anders als bei Kindern, bei denen bislang kein geschlechtsspezifisches Vorkommen von Urtikaria (Nesselsucht) festgestellt werden konnte, tritt Urtikaria bei erwachsenen Betroffenen vermehrt bei Frauen auf. Bei chronischer Urtikaria liegt das Verhältnis bei etwa 2:1. Häufig ist dabei die Gruppe der 30- bis 50-Jährigen betroffen. In der Altersgruppe der über 70-Jährigen tritt Urtikaria verhältnismäßig selten auf. Dagegen ist eine Nesselsucht bei Neugeborenen, die meist nur wenige Tage anhält, nicht ungewöhnlich.

Wie entsteht Urtikaria?

Das Juckreiz- und Quaddeln-machende Histamin kommt in der Haut praktisch nur in Mastzellen vor. Quaddeln entstehen dadurch, dass die Hautgefäße an der betroffenen Hautstelle quasi undicht werden. Das Histamin lässt die Zellen von Blutgefäßen voneinander wegrücken, indem es an bestimmten Strukturen (den Histaminrezeptoren) auf den Gefäßzellen andockt und den Gefäßzellen damit signalisiert, dass sie voneinander wegrücken sollen. So können aus dem Gefäßinneren Blutflüssigkeit und auch einige Blutzellen in das umliegende Gewebe austreten. Neben dem Histamin können auch Mastzell-Produkte wie Leukotriene oder andere Botenstoffe (sogenannte Zytokine) die Durchlässigkeit von Blutgefäßen erhöhen. Die Wirkung juckreiz-stillender Medikamente bei der Urtikaria erklärt sich dadurch, dass diese Medikamente gezielt die Bindung von Histamin an den Histaminrezeptoren blockieren. Diese Medikamente werden daher als Anti-Histaminika bezeichnet. Die Tatsache, dass Antihistaminika bei der Urtikaria nicht in allen Fällen helfen, weist darauf hin, dass Histamin nicht der einzige Juckreiz- und Quaddeln-auslösende Stoff ist, der hier eine Rolle spielt.

Wie werden Mastzellen bei den verschiedenen Urtikariaformen aktiviert?
Am einfachsten lässt sich diese Frage für die Allergie-Urtikaria, eine seltene Unterform der chronischen Urtikaria, beantworten. Die Mastzelle ist die Allergiezelle schlechthin und ist bei allen, durch das Eiweiß Immunglobulin E (IgE) vermittelten Allergien beteiligt und damit für die Krankheitssymptome bei Asthma, Heuschnupfen oder Neurodermitis mitverantwortlich. Der Nesselsucht kann eine allergische Mastzellaktivierung, also durch IgE und Allergen (Stoff, der eine allergische Reaktion auslösen kann), zugrunde liegen. Die Allergene gelangen hier mit der Nahrung oder der Atemluft (z.B. Baumpollen, Gräserpollen, Kot der Hausstaubmilbe)in den Körper und aktivieren dann Mastzellen, die mit entsprechenden IgE-Antikörpern beladen sind. In seltenen Fällen kann auch bei so einer Allergie die Aufnahme von kreuz-reagierenden Nahrungsmitteln eine Urtikaria auslösen.

Jeder Mensch kann in seinem Leben allergisch werden. Dies geschieht, indem wir uns nach dem Kontakt mit einem Stoff, z.B. Birkenpollen, gegen diese Pollen sensibilisieren. Unter Sensibilisierung versteht man die Produktion von Immunglobulinen (Abwehr-Eiweißen) gegen einen bestimmten Stoff, in unserem Fall gegen die Birkenpollen. Sind wir also sensibilisiert, stellt unser Körper verschiedene Immunglobuline mit unterschiedlichen Aufgaben her. Das von den Abwehrzellen des Immunsystems gebildete Immunglobuline E (IgE) zum Beispiel bleibt auf seinem Weg durch den menschlichen Körper an eigens dafür auf Mastzellen vorbereiteten Stellen (den IgE-Rezeptoren) hängen. Wenn nun unser Körper nochmals mit Birkenpollen in Kontakt kommt, erkennen die auf den Mastzellen, an den IgE-Rezeptoren klebenden IgEs die Birkenpollen und fangen diese ab. Die Mastzelle, auf der die IgEs mit den gefangenen Birkenpollen kleben, wird aktiviert und schüttet ihr Histamin aus. Es kommt zur allergischen Reaktion. Dieser am besten studierte Weg der Mastzellaktivierung ist nur bei einem geringen Teil aller Urtikariapatienten anzutreffen.

Viel häufiger scheint die Ausbildung von Antikörpern (Abwehreiweißkörpern) gegen den IgE-Rezeptor oder das auf ihm gebundene IgE selbst für eine Urtikaria verantwortlich zu sein. Bei bis zu 30 Prozent aller Patientinnen und Patienten mit Chronischer Urtikaria lassen sich solche Antikörper gegen körpereigene Substanzen nachweisen. Mit anderen Worten, der Körper reagiert gegen sich selbst. Deshalb spricht man auch von Autoantikörpern und einer Autoimmun-Urtikaria. Ein einfacher Test für das Vorliegen einer solchen Autoimmun-Urtikaria ist das Spritzen des eigenen Blutes, bzw. des flüssigen Anteils des Blutes in die Haut des Unterarms. Dies führt bei Betroffenen mit Antikörpern gegen den eigenen IgE-Rezeptor oder das eigene IgE zu einer deutlichen Quaddelbildung.

Das Komplementsystem ist ein wesentlicher Bestandteil im Netzwerk der körpereigenen Immunabwehr. Zu seinen Hauptaufgaben zählen die direkte Zerstörung von Zellen und Erregern (wie Bakterien oder Parasiten) und die Aktivierung von Abwehrzellen des Immunsystems. Die Aktivierung des Komplementsystems, z.B. im Rahmen von bakteriellen Infektionen führt zur Freisetzung von stark Mastzellaktivierenden Substanzen. Nicht selten versteckt sich hinter einer chronischen Urtikaria eine chronische Infektion (z.B. der Nasennebenhöhlen, der Rachenmandeln, der Magenschleimhaut oder der Zähne), denn es ist bekannt, dass die Beseitigung eines solchen chronischen Infektionsherdes zur Abheilung einer Chronischen Urtikaria führen kann. Man spricht dann von einer Infekt-Urtikaria.

Unter Intoleranz-Urtikaria versteht man, dass der Körper einen bestimmten Stoff nicht toleriert, d.h. nicht verträgt. Es treten Beschwerden durch Intoleranzreaktionen auf z.B. Medikamente, Konservierungsstoffe oder Farbstoffe in Nahrungsmitteln. Durch Vermeiden des auslösenden Stoffes z.B. mit Hilfe einer Diät kann es zu einem Abheilen der Urtikaria kommen.