Die Lungenunion und ihre Masterminds

1985 gewann Boris Becker erstmals das Tennisturnier von Wimbledon, der französische Geheimdienst versenkte das Greenpeace-Schiff „Rainbow Warrior“ und in Russland wurde Michail Gorbatschow zum Generalsekretär gewählt. 1985 war aber auch die Geburtsstunde der Österreichischen Lungenunion, einer von Anfang an bundesweit aktiven Selbsthilfegruppe für alle Menschen mit Allergien, Asthma, COPD, Lungenkrebs sowie Neurodermitis. Die drei engagierten Menschen, die maßgeblich dafür verantwortlich waren, dass der gemeinnützige Verein sich zum großen Mitspieler in der österreichischen Gesundheitsszene entwickelte, zogen sich Anfang 2021 aus dem aktiven Vereinsleben zurück. Folgend ein Rückblick auf ihr gemeinsames Schaffen.

Der Erste im Bunde war Lungenfacharzt Prim. Dr. Norbert Vetter. Er war fast von Beginn an dabei und war generell für die Kommunikation im Verein zuständig. Er setzte sich unermüdlich für Patienten ein, informierte und beriet sie. Im Jahr 1998 bekam Norbert Vetter mit Otto Spranger einen zweiten Mastermind zur Seite gestellt. Bald mit an Bord war dann auch Mag.a Irmtraud Löwy, wodurch auch die organisatorischen Strukturen eine klarere Linie bekamen. Gemeinsam übernahmen sie die Aktivitäten in der Selbsthilfe­gruppe und bauten die Lungenunion zu einem aktiven und wesentlichen Player in der österreichischen Gesundheitsszene aus.

„Wichtig waren uns damals drei Punkte“, erinnert sich Norbert Vetter: „Wir wollten bei Patienten und Ärzten Awareness schaffen, die Menschen auf die Lungenkrankheiten hinweisen. Aber es war uns auch wichtig, persönliche Hilfe zu bieten und Lobbying zu betreiben.“ Dazu auch Otto Spranger: „Als erstes bauten wir daher die Kommunikationswege aus. Die Mitgliederzeitschrift Aufwind wurde runderneuert und zu einem richtigen Magazin geformt, mit einer Auflage von 30.000 Stück und einer enormen Reichweite in den Ordinationen von Lungenfachärzten, Allgemeinmedizinern und Kinderärzten in ganz Österreich.“

1. Welt-Allergie- und Asthma-Tag 1998 im Wiener Rathaus

In Sachen Lobbying wurde mit einer Vielzahl an Aktivitäten versucht, beim Bund, in den Gemeinden und den Ländern sowie auch bei der Sozialversicherung Stimmung für die Selbsthilfe der Patienten zu machen. Das erste große Projekt war der 1. Welt-Allergie- und Asthma-Tag am 11. Dezember 1998. Initiiert wurde die Aktion von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der globalen Initiative für Asthma (GINA) – die Lungenunion war für die gesamte Organisation und den Ablauf der Veranstaltung im Wiener Rathaus zuständig. Im Laufe der Jahre wurde diese Veranstaltung zum jährlichen Highlight. Das Konzept: Ärzte informieren über die neuesten Erkenntnisse bei den einzelnen Lungenerkrankungen. Patienten können direkt nachfragen und sich auch untereinander besprechen oder an kostenlosen Workshops teilnehmen. Vera Russwurm rundete als Moderatorin des Lungentags das Dream-Team ab.

Singen & Walken

Das andere Vorzeige-Projekt ist das Atem- und Stimmtraining. Federführend war hier Irmtraud Löwy. Die ÖLU mit einer Studie beweisen, dass Singen die Lungenfunktion verbessern kann. Dafür ließen sich mehrere Studenten für das Singtraining von Erich Vanecek, Christa Wenninger und Kammersänger Bernd Weikl extra ausbilden. Von da an wurde in der Lungenunion Atem- und Stimmtraining angeboten. Aber auch verschiedenste Patienten-Schulungen wurden dazu angeboten – vor allem zu Asthma und COPD. Spranger: „Man lernt dabei, mit der Krankheit umzugehen, wie man Medikamente einnehmen soll, wie die Lunge funktioniert und welche Inhalationstechnik sinnvoll ist.“

Bewährt hat sich auch das gemeinsame Bewegungstraining. Jahrelang traf sich ein Mal wöchentlich eine Nordic-Walking-Gruppe der Lungenunion in Schönbrunn, bis Corona dem Einhalt gebot. Irmgard Löwy: „Alle Menschen, die regelmäßig mitgemacht haben, waren begeistert. Mit der richtigen Atemtechnik bis zur Gloriette zu gelangen, hat sich davor kaum jemand zugetraut.“
Eine weiteres Highlight war der der Pulmobus, mit dem das Team durch Österreich getingelt ist. „Wir haben Lungenfunktionsmessungen im Bus angeboten und über Lungenkrankheiten informiert“, schildert Otto Spranger.

Immer ihrer Zeit voraus

Was die Lungenunion schon immer auszeichnete, war der Umgang mit modernen Technologien und Medien. Um auf die chronische Urtikaria aufmerksam zu machen, wurde der 1. Welt-Urtikaria-Tag (1. Oktober 2014) ins Leben gerufen. Es wurde auch eigens dafür eine Urtikaria-App entwickelt. Aber auch die Videobotschaft in Sachen COPD und Bewegung zeigte den Pioniergeist. Als positives Beispiel zeigt Günther Hirsch, dass es trotz COPD wichtig ist, sich körperlich fit zu halten. Des Weiteren gab es ein Video zum Heimtraining bei COPD – das war noch lange vor der Pandemie. Unter Anleitung von Dr. Beate Krenek und ihrem Team zeigten zwei Mitglieder der Lungenunion zehn Übungen für daheim zum Mitturnen vor. Beide Projekte sind nach wie vor auf der Webseite (www.lungenunion.at) abzurufen. Ein weiteres Videoprojekt war die CD zum Thema „Allergischer Schock“. Vera Russwurm interviewte sechs Experten und Expertinnen, damit Allergie und Wesepenstiche nicht böse enden. Dabei ging es nicht nur um die Erklärung des Schockgeschehens, sondern ganz anschaulich auch um die Behandlung mit dem Adrenalinpen und weitere Hilfe rund um die Thematik.

Hilfe zur Selbsthilfe und Partnerschaftsbewusstsein

Mit Anfang 2021 zogen sich Otto Spranger, Norbert Vetter und Irmgard Löwy aus dem aktiven Vereinsleben zurück. Als Ehrenmitglieder werden sie dem Verein Lungenunion weiterhin erhalten bleiben, ebenso wie die Aufbauarbeit und die vorgegebene Zielsetzung der Lungenunion, die sie geschaffen haben: Anleitung zur Selbsthilfe und Partnerschaftsbewusstsein. „Der Arzt als Partner im Leben des Patienten, aber auch der Patient als Partner der Bemühungen des Arztes“, resümiert Otto Spranger abschließend.